600 Gramm

Wir rechnen fest damit, dass wir nach Ambisome, Lasern und Blutentnahme wieder nach Hause dürfen - deshalb nehmen wir auch kein Pyjama mit - positiv denken heisst unsere Devise. 

Kaum haben wir das Spitalzimmer betreten, gilt es ernst: Die Pflegefachfrau bringt die Waage. Die Ärztin bleibt auch gleich stehen und so schauen vier Augenpaare gespannt auf die Anzeige der Waage, und siehe da: 600 Gramm mehr! Alle vier strahlen und freuen sich darüber! Na das ist mal eine gute Nachricht und irgendwie eine komische Situation -  kommt es doch eher selten vor, dass man sich über eine Gewichtszunahme dermassen freut!

Die Blutwerte sind weiter gesunken. Ebenfalls die Abwehr. Bevor wir wieder heim dürfen, werden wir wiederholt instruiert: Bei Flecken oder Petechien (rote Pünktli auf der Haut), bei starkem Zahnfleischbluten oder anderen Blutungen, bei Fieber, vermehrten Kopfschmerzen, Energielosigkeit, stärkeren Schmerzen im Mund oder irgendwelchen anderen ungewöhnlichen Symptomen ... müssen wir uns direkt auf der Onkologiestation melden.

 

Enya ist ganz aufgeregt: Sie hat heute Elternabend mit allen Eltern, Lehrern und der ganzen Klasse. Sie wünscht sich noch eine schöne Frisur und die Nägel müssen auch noch lackiert werden! Also los! Sie freut sich, dass wir beide kommen können, es ist ihr wichtig.

Kurz bevor ich gehen möchte, ruft jedoch die Ärztin an: Malin braucht dringend eine Neupogenspritze (unterstützt die Zellbildung) - wir müssten nochmals nach Luzern kommen... es täte ihr leid... aber es sei wichtig. Das ist jetzt gar kein guter Zeitpunkt... aber mir fällt plötzlich ein, dass ich von der letzten Neupogenkur noch Spritzen im Kühlschrank haben müsste. Tatsächlich finde ich noch eine in der Seitentür. Sie muss subkutan, darf aber nicht ins selbe Insuflon wie das Clexane (Blutverdünner) gespritzt werden. Wir einigen uns darauf, dass wir heute ohne Insuflon mit Hilfe eines EMLAS spritzen (Padi macht das zum Glück...) und morgen kommen wir vorbei, um uns einzudecken mit Insuflon und Neupogen für die nächsten Tage.

 

Der Elternabend ist mit Musikeinlagen, Vorstellungen der Kinder, echtem "Restaurantbetrieb" (die Kinder haben bei den Eltern Bestellungen aufgenommen, serviert und "einkassiert") und Ausstellungen von Werkarbeiten und Zeichnungen informativ, kurzweilig und unterhaltsam. Die Kinder und Lehrpersonen haben das richtig toll gemacht.

 

Die beiden Spritzen zu Hause sind dann weniger toll... Ich drücke Malins Hände (oder sie meine - ich komme mir vor wie in einem Schraubstock) und Padi setzt die Spritze an. Das Neupogen schmerzt stark, so dass Malin die Tränen nur so über die Wangen rinnen und das kommt selten vor... - und sie hat noch etliche  solcher Spritzen vor sich...