Perlenkettengeschichte

Die Energie ist weg. Malin ist müde, sie kämpft einmal mehr gegen die Übelkeit. Trotz schönem Wetter mag sie nicht nach draussen gehen. Die frische Waldluft von gestern muss für heute (und morgen?) auch reichen...

Die Haare - gerade erst spärlich nachgewachsen - fallen alle wieder aus. Kopfhaare, Wimpern, Augenbrauen, Nasenhaare... einfach alle. Finger- und Zehennägel brechen teilweise ab, oft an Stellen, wo der Nagel noch angewachsen wäre. Das ist schmerzhaft und kann zu erneuten Infektionen führen. Wir desinfizieren die wunden Stellen und "verpflastern" sie.

Der Arm schmerzt noch immer und auch das Tabletten schlucken geht heute nicht besser als gestern.  

 

Wir zählen die Mutperlen. Es sind mittlerweile 373! Malin weiss genau, welche Perle sie wofür aussuchen durfte. Sie sind alle aus Glas und von Hand gefertigt - richtige kleine Kunstwerke! Verschiedene Glaskünstler aus der ganzen Schweiz treffen sich mehrmals im Jahr und kreieren gemeinsam diese Perlen für krebskranke Kinder. Eine richtig schöne Idee, trotz traurigem Hintergrund. Die Ketten hängen bei uns in der Stube. Sie sehen wunderschön aus in ihrer bunten Pracht und den vielfältigen, lustigen und kreativen Figuren und sie "wachsen" schnell - viel zu schnell. Sie erzählen Malins Geschichte. Der Start ist bei ihrem Namen und dem Anker. Die verschiedenen Tiere stehen für das "Port anstechen", die gelben Spiralen für "Thrombozytentransfusionen", die roten Spiralen für die "Transfusion von Erythrozyten". Transparente Perlen haben die Bedeutung von "Röntgen", die grossen regenbogenfarbigen "Intensivstation", die Froschkönige bedeuten "Notaufnahme" usw....

So hat jede Perle ihre Bedeutung und Malin sieht daran, was sie alles schon geschafft hat - und das ist viel! Sie hatte zum Beispiel schon 39 Bluttransfusionen! 

 

Und falls sie ihre Perlengeschichte einmal nicht mehr sehen mag, kann sie sie vorsichtig in eine Schachtel packen und versorgen. Die Erinnerungen werden immer bleiben, aber irgendwann wohl verblassen und das ist gut so. Wenn sie das Bedürfnis hat, kann sie einen Blick auf ihre Mutperlen werfen und staunen, was sie einmal alles geschafft hat.

Aber noch sind die Ketten (leider) nicht komplett, die Perlenkettengeschichte geht weiter...