"Stricklise"

 

Heute gefällt sie mir wieder! Sie braucht keine Unterstützung mit Sauerstoff mehr, die Lungen sehen wieder besser aus, beziehungsweise hören sich besser an. Die Werte steigen (endlich!) langsam an! Die Thrombozyten sind bei 51, das ist schon fast rekordverdächtig und beruhigt mich ungemein: Mit diesem Wert werden wir keine Angst vor weiteren Blutungen mehr haben müssen. Auch die so schmerzvolle Neupogenspritze wird heute abgesetzt. Malin hat wieder mehr Energie, sie sagt: «es schiesst mich so a – ich wett etz eifach hei!» Das ist ein gutes Zeichen! Ich bin schon so weit, dass ich mich richtig freue, wenn sie flucht. Vor einem Jahr hätte ich wohl gesagt: «Hey Mädel, red nid eso wüescht…» Heute sage ich nichts mehr, sie hat recht. Nichts gegen die Ärzte und das Pflegepersonal – sie machen ihre Arbeit wirklich richtig gut, sind äusserst kompetent und geben ihr bestes! Wir fühlen uns gut aufgehoben - aber eine so lange Zeit im Krankenhaus, da fällt wohl jedem die Decke auf den Kopf…

 

Mit dem rechten Auge sieht sie noch immer diesen dunklen Fleck, es hat sich nichts geändert. Das linke Auge kompensiert aber viel, man merkt Malin kaum etwas an. Nur einmal möchte sie mit zugekniffenem linken Auge in eine Flasche schauen und merkt, dass das ja gar nicht geht. Und mit Schreiben hat sie auch ihre Mühe. Ich staune, wie gelassen sie die neue Situation nimmt. Sie meint bloss: «zum Glück han ich das nur bi eim Aig, suscht würd ich ja gar nüüme gseh!» Und: «ich bi froh gsi, bin ich scho im Rollstuehl gsässä, wo d’Aigäärztin erklärt hed, wie diä Operation wurdi gah. Ich wär suscht grad umgheyd!» Sie meint den Teil mit dem Entfernen des Glaskörpers… es ging mir auch so…

 

Malin strickt. Ohne eigentliches Ziel startet sie ihre Strickprobe, übt eine Weile, bis es sie richtig packt! Mittlerweile weiss sie, es wird ein Schal – ein "Spitalschal" - jeden Tag ein Stück länger! Manchmal, wenn sie auf die linkmaschige Seite kommt, schaut sie mich lieb an und fragt: «Mami, wetsch echli linggs lismä?» Kann man das ausschlagen? Ne, kann man nicht – und so stricke ich zwischendurch eine Reihe links – mit links!

 

Padi ist mit Malins Götti in London. Schon lange haben sie geplant, zusammen an den ATP- Final zu gehen. Jetzt ist es soweit – und Padi wird dieser «Tapetenwechsel» mehr als gut tun, auch wenn es nur für drei Tage ist und er wohl mit gemischten Gefühlen ging. Aber ich hoffe, dass er die Zeit trotzdem geniessen kann. Gestern sahen sie Spiel und Sieg von Roger Federer und die Bilder, die er uns regelmässig im Familienchat schickt, lassen uns an seiner Reise ein bisschen teilhaben! Am Dienstag kommen die beiden wieder heim – wir freuen uns sehr!