Heute ist ambulanter Spitaltag mit vollem Programm. Wir haben ein ziemliches «Gjufel» am Morgen: Medikamente einnehmen, Blutzucker messen, Insulin spritzen, frühstücken, EMLA kleben, Enya instruieren, Autoscheiben kratzen… und dann stockt der Verkehr zu allem Überfluss bereits in Oberdorf. In Luzern ist es nicht besser und im Parkhaus stehen wir auch noch eine Weile… Um 8.00 sollten wir eigentlich im Labor sein. Leicht verspätet (und ich schon leicht entnervt) treffen wir doch noch ein. Wir starten mit dem EKG, dann Port anstechen, Blutentnahme, Ambisome, Actilyse (Portreinigung), Kontrolle und Untersuch durch die zuständige Ärztin, Chemotherapie.
Malin hat einen Pilzbefall im Rachen- und Mundbereich, gut erkennbar an den weissen Flecken überall. Er ist anscheinend nicht wirklich schmerzhaft, nur saure Flüssigkeiten und Nahrungsmittel brennen etwas beim Verzehr. Trotzdem muss der Pilz behandelt werden, das heisst für sie: Zusätzliche vier Tabletten täglich sowie vier Lutschtabletten. Ansonsten sind die Ärzte soweit zufrieden, auch die Laborwerte sind stabil, einige davon sogar sehr gut. Den weiteren Verlauf dieses Blocks wird nochmals kurz erklärt. Wenn alles gut geht, darf Malin relativ viel zu Hause sein und muss nur ambulant ins Kispi, so wie heute. Das hochdosierte Cortison wird in rund einer Woche kontinuierlich abgebaut, bis es ganz abgesetzt wird. Daraufhin startet die rund sechs Wochen dauernde Erhaltungstherapie (mit Tabletten), bevor dann der nächste Block startet.
Apropos Cortison: Als typische Nebenwirkung des Cortisons nebst den angeschwollenen Wangen und dem grossem «Gluscht» nach allerlei Essen (Malin schaut sich dauernd irgendwelche Filme über Food an) gehören auch Stimmungsschwankungen dazu. Wenn sie nun also ansatzweise über irgendwen oder irgendwas ein bisschen «hässig» ist, meint sie trocken: «Sorry, das isch wägem Cortison!» Kann man wohl gelten lassen, die Ausrede…
Bei Malin ist dies glücklicherweise nicht ausgeprägt. Ich habe schon mit Müttern gesprochen, deren Kinder völlig ausgeflippt sind und wirklich wüste Dinge austeilten. Sehr wohl wissend um die Nebenwirkungen des hochdosierten Cortisons tut sowas trotzdem ein bisschen weh in dieser sonst schon eher angespannten Situation…
Ich besorge noch die nötigen Medikamente für die nächsten beiden Wochen aus der Spitalapotheke (es gibt wiederum ein gut gefülltes Täschli) und um 14.00 werden wir ins schöne Wetter entlassen. Am liebsten würde ich gleich eine Runde laufen, aber Malin ist müde, braucht zuerst noch eine kleine Pause. Die Runde holen wir noch nach – inklusive Aufwärmpause bei Grosdädi – aber am Schluss hat sie Mühe, überhaupt noch unsere knarrende Holztreppe hoch zu kommen – dermassen schwach ist sie.
Am Abend klagt Malin plötzlich über Schmerzen im linken Bein. Der Schmerz wird immer stärker, er zieht in Richtung Oberschenkel und Wade. Äusserlich sieht man ihr allerdings nichts an. Trotzdem rufe ich im Kispi an, werde gleich mit der Onkologin verbunden. Sie weist mich an, Malin einige Bewegungen machen zu lassen und die entstehenden Schmerzen genau zu lokalisieren und zu beschreiben. Eine Thrombose kann somit vorerst ausgeschlossen werden. Sie verschreibt ein Schmerzmittel und wenn nötig noch das Schmerzmittel in Reserve. Malin braucht beide – und es schmerzt trotzdem noch eine ganze Weile weiter. Die Onkologin sagt noch was von wegen weiteren Nebenwirkungen des hochdosierten Cortisons: Es könne auch die Knochen angreifen!
Am Freitag haben wir den nächsten Termin im Kispi. Wenn es bis dahin schlimmer werden sollte, mögen wir uns wieder melden und früher zum Röntgen vorbei kommen. Es beruhigt mich nicht wirklich – im Gegenteil, habe ein eigenartig unbehagliches Gefühl... hoffe aber, dass sich diese Schmerzen so schnell "auflösen" werden, wie sie gekommen sind!