Mut und Willenskraft

 

An einem warmen Spätherbsttag gehen wir direkt vom Spital zum Einkaufen nach Buochs. Es ist Mittagszeit und ich erwarte nicht allzu viele Leute im Laden. Malin ist noch ziemlich geschwächt, will aber mitkommen, um für sich herauszufinden beziehungsweise zu sehen, worauf sie Lust hätte oder was sie essen mag oder kann. Als wir nach dem Bezahlen zum Auto laufen, fragt sie mich ganz erstaunt: «Han ich irgend eppis Komisches a mier, dass mich alli eso aaschtarrid?» Ich erkläre ihr, dass ihr Anblick mit Mütze und Mundschutz hier in Buochs doch eher ungewöhnlich sei… «Aha, ja – das han ich ganz vergässe!»

Malin hat die Öffentlichkeit nie gemieden, hat sich nicht zurückgezogen, wie es wohl einige an ihrer Stelle getan hätten. Wenn ihr Zustand, ihre Blutwerte und ihre Energie es zuliessen (was leider relativ selten vorkam), war und ist Malin dabei. Sei es am Pfadibesuchstag, an der 1.Augustfeier, an der Bürer Chilbi, an einem Schulanlass oder heute Nachmittag ins Kino mit ihren Klassenmädels.

 

Sie weiss, dass sie auffällt. Sie scheint so zart, so zerbrechlich, hat keine Haare, keine Wimpern, kaum Augenbrauen mehr. Es ist offensichtlich - Malin ist krank. Sie wird angeschaut - oft wird auch betreten weggeschaut. Mitgefühl, Mitleid, Unsicherheit kann man in den Gesichtern lesen. Ich kann es verstehen. Es würde uns wohl genau gleich gehen…

 

Im Spital – als sie einmal ohne Mütze im Bett liegend durch den Gang geschoben wurde, sagte ein kleines Mädchen ganz laut zu seiner Mutter: «Mami, das Meitli hed ja ä Glatzä!» Was das Mami ihr antwortete, habe ich nicht mehr gehört, aber am leichten Schmunzeln in Malins Gesicht konnte ich erkennen, dass Malin die lautstarke Feststellung des Mädchens auch mitbekommen hatte. 

 

Malin hat gelernt mit solchen Situationen umzugehen. Sie hat auch gelernt bei jedem Rückfall und jedem "Umweg" wieder "aufzustehen", weiter zu kämpfen und ihren Weg unbeirrt und willensstark weiter zu gehen! Ich bewundere sie zutiefst für diese unglaubliche Stärke - für ihren Mut und ihren Lebenswillen - für ihre offene Art und Weise, wie sie mit ihrer Erkrankung und allen damit verbundenen grossen Einschränkungen umgeht!

 

Heute hat sie sich für einen kurzen Moment überlegt, ob sie nicht doch mit Perücke ins Kino gehen möchte. Sie setzt sie zu Hause auf, weiss aber schon fast im selben Augenblick: Nein, das Mädchen, das ihr im Spiegel entgegen schaut, ist nicht sie…  Malin geht ohne Perücke –  sondern wie stets mit ihrer Mütze - und geniesst den Nachmittag mit ihren Mädels in vollen Zügen! Und morgen hat sie bereits ein neues Ziel: Mitlaufen am Samichlaisiizuug in Büren!