Kerzenlicht

Heute Morgen noch stehen wir alle ziemlich übernächtigt im Bad. Niemand von uns konnte richtig schlafen, Malin am aller wenigsten. Die Schmerzen waren allgegenwärtig, sie litt einmal mehr, fast die ganze Nacht. Der Neurologe hatte uns gestern noch spezielle Medikamente verschrieben, spezifisch gegen Nervenschmerzen. Das Medikament darf nicht sogleich voll dosiert eingenommen werden. Gestern Abend die erste Kapsel, heute die nächsten zwei und ab morgen täglich deren drei. Bis jetzt merkt Malin leider noch keine Besserung. Enttäuschung macht sich breit, habe einfach so gehofft, dass möglichst rasch eine spürbar positive Wirkung eintreten würde. Die Befürchtung, dass auch dieses Medi nichts nützen könnte, so wie alle anderen auch nicht, ist gross. Aber sie hat ja eben noch nicht die volle Dosis, beruhige ich mich, es kann ja doch noch gut werden. Wir hoffen es inständig. 

 

Enya ist aufgeregt: Bald beginnt die früh morgendliche Roratefeier und ihre Klasse hat sie vorbereitet. Enya weiss ihren Text auswendig, hat ihn uns schon oft vorgetragen. Ich mache mit Malin ab, dass ich für eine halbe Stunde an die Roratefeier gehen, aber dann sofort wieder nach Hause kommen würde. Das würde schon gehen, meint sie, nimmt noch ein Schmerzmittel ein und wir starten ein neues Hörspiel. Trotzdem laufe ich mit einem unguten Gefühl los - setze mich zuhinterst in die Reihe, damit ich gleich im Anschluss möglichst schnell nach Hause kann. Es sieht schön aus mit den vielen brennenden Kerzen. Ich denke an Malin - wie es ihr im Moment wohl geht? In meinen Gedanken brennen alle diese Kerzen für sie. Eigentlich erstaunlich, wie Kerzenlicht einen solch grossen Raum auszuleuchten vermag. Die Kinder erzählen eine Geschichte vom wieder gefundenen strahlenden Licht und musizieren dazu. Alle haben sie ihren Einsatz, jedes Kind seine Aufgabe - genau das ist besonders schön! Am Mittag sagt Enya sichtlich erfreut, sie habe mich gleich entdeckt in der Kirche - es bedeutete ihr viel.

 

Wir essen zusammen z'Nacht, als Malin plötzlich in Tränen ausbricht. Sie entschuldigt sich bei uns - weil wir die letzten Nächte nicht schlafen konnten! Meine Güte Malin, du musst dich doch nicht entschuldigen! Du kannst ja gar nichts dafür! Was sind ein paar schlaflose Nächte gegen diese elenden Schmerzen, die du Tag und Nacht ertragen musst? Nichts! Alle reden wir durcheinander auf Malin ein, versuchen sie zu trösten, zu beschwichtigen... aber sie - sie ist untröstlich und sagt, wenn es diese Nacht nicht erträglicher wird, gehe sie morgen freiwillig stationär ins Kispi...