Wie jeden Morgen ist mein erster Handgriff jener an Malins Stirn um zu fühlen, ob sie vielleicht Fieber hat - sie hat nicht! Ich muss auch gar nicht nachmessen, es fühlt sich gut an, ich bin erleichtert! Schon all zu oft musste sie wegen Fieber ihre Taschen packen, ins Kispi fahren und kam dann meistens wochenlang nicht mehr nach Hause. Jetzt aber sieht es gut aus, sie hat es geschafft: Sie wird heute Abend mit ihren Girls Klavier spielen und wir können zusammen Weihnachten feiern!
"Jetzt bin ich nervös", sind Malins erste Worte heute Morgen, kaum ist sie wach. Ich muss auch gar nicht nachfragen warum, ich wäre es nämlich auch an ihrer Stelle. Aber im Laufe des Tages hat sie nicht mehr so viel Zeit an ihr bevorstehendes "Konzert" zu denken, denn ein bisschen hektisch wird's dann doch noch - wie jedes Jahr. Aber alle packen mit an, obwohl der eine (männlich, jugendlich) eher unfreiwillig und nur durch ausdrückliche Aufforderung unsererseits. Die Mädchen schmücken den Baum prächtig und trällern dabei Weihnachtslieder, Padi sorgt für Ordnung im umliegenden Chaos, Joel und ich sind in der Küche zuständig. Er richtet seine Musikbox in der Küche ein und so schnippeln wir zu den lautstarken Klängen von ABBA und Co. verschiedenes Gemüse, kreieren feine Saucen und formen die Miniapfelstrudel für's Dessert. Das geht tatsächlich noch viel besser zu Musik, macht richtig Spass und sorgt bei mir für einen kleinen sentimentalen Gefühlsausbruch: Ich könnte in diesem Moment die ganze Welt umarmen vor Glück! Bei Joel fange ich an - er rollt mit den Augen und grinst mich verschmitzt an. Was er denkt, möchte ich grad gar nicht so genau wissen...
Wir finden sogar noch die Zeit, zusammen ein paar Weihnachtslieder zu spielen. Malin am Klavier, Enya mit der Gitarre und ich habe nach Jahren meine Querflöte wieder ausgegraben und entstaubt...
Die Kirche ist bereits um halb fünf fast voll, zusätzliche Bänke und Stühle werden organisiert. Die Weihnachtsmesse wird von den Drittklässlern erfrischend schön gestaltet. Sie singen aus voller Kehle ihre eingeübten Lieder, musizieren dazu und erzählen uns eine Weihnachtsgeschichte. Und dann kommen die sieben Mädels - darunter Malin. Zu meinem Leidwesen bin ich sehr nahe am Wasser gebaut und so habe ich vorsorglich ein paar Taschentücher lose in die Jackentasche gesteckt. Da spielen sie nun - drei am Klavier, zwei an der Gitarre und zwei mit Querflöten das Stück von Elton John: "can you feel the love tonight". Ja, man spürt sie und ja - es rührt zu Tränen - vor allem ganz am Schluss, als laut applaudiert und ihnen gar zugerufen wird! Und ich sehe - wie so oft - das Bild vor mir, wie Malin mit so vielen Schläuchen verkabelt um ihr Leben kämpfte - und jetzt spielt sie hier vorne Klavier! Ich bin schlichtweg überwältigt, kann es irgendwie nicht fassen, bin so unglaublich froh und so dankbar...
Grosi und Grosdädi feiern heute Abend mit uns, es ist ein gemütlicher Abend mit feinem Essen und (doch noch) vielen Päckli. Das grösste Geschenk allerdings ist, als Familie vollzählig zu Hause feiern zu dürfen! Es ist alles andere als selbstverständlich und wird dadurch für uns zu einem ganz besonders schönen Weihnachtsfest!