Enttäuschung

Ich bin überzeugt, heute werden die Leukozytenwerte reichen. Jene Werte, die bisher stets einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, die anderen Blutwerte erfüllten bereits am Dienstag die minimalen Startkriterien für die nächste Chemo. Es ist nunmehr der fünfte Anlauf in diesem Therapieblock. Zu Hause ist alles organisiert für die nächsten drei Tage, das Gepäck nehmen wir gleich mit nach oben. Unsere Lieblingspflegefachfrau begrüsst uns strahlend: "Ich habe richtig gehofft, dass ich bei Malin eingeteilt werde! Und Morgen bin ich auch noch da! Das freut mich besonders, habe dich nämlich schon lange nicht mehr gesehen!" Die Stimmung ist gut, wir machen Scherze, das Ambisome tröpfelt durch den Port, wir warten auf die Laborwerte. 

Die Ärztin kommt, schaut uns mit betretener Miene an: "Es reicht nicht. Die Leukos sind sogar wieder gesunken. Ich musste auch zweimal hinsehen, ob das auch wirklich stimmt..." 

Was? Das kann doch nicht sein! Die anfänglich gute Stimmung ist weg - die Enttäuschung gross. Schon wieder warten, wieder Verzögerung... die Werte wieder sinkend - was bedeutet das für Malin?

Die Ärztin erklärt, das sei zwar nicht üblich, aber auch schon vorgekommen. Malin hätte schon so viele starke Chemos hinter sich, ihr Körper brauche einfach länger, um sich einigermassen zu erholen und im Knochenmark neue Leukozyten produzieren zu können.

Ich habe nicht damit gerechnet, habe gedacht heute reicht's, bin deprimiert, sage nichts mehr. Malin geht es ähnlich, etwas ratlos fragt sie die Ärztin: "Wenn ich nächschti Wuche chennti starte, wiä lang gahts de nu?" Sie meint damit die Intensivchemo, welche uns ursprünglich laut Therapieprotokoll mit 5-7 Monaten vorgerechnet wurde. Malin kämpft jetzt schon seit 10 Monaten, wurde immer wieder brutal "zurückgeworfen" und ausgebremst durch die unzähligen Komplikationen. Die Ärztin rechnet vor: Wenn alles läuft und ohne weitere Verzögerungen dauert es noch gut drei Monate....  13 Monate Intensivchemo also... wenn alles gut läuft... und daraufhin folgt die Dauerchemo für ein Jahr. 

 

Der Tag wird etwas aufgeheitert durch das feine z'Mittag bei Grosi und den spontanen Besuch von Malins Gotti mit Familie. Mein Gottenmeitli bleibt sogar gleich über Nacht, was meine Mädels besonders freut.

 

Weiter geht's. Morgen ist ein neuer Tag.