"ultimatives Testobjekt"

Die Leukozyten sind erst bei 1,7 - die minimalen Startkriterien damit nicht erreicht. Trotzdem wird heute gestartet, es ist bereits der 8. Anlauf dazu. Jetzt geht es wieder vorwärts, wir sind froh. Der Port wird angestochen, "Kari" mit Chemogutterli behängt.

Malin ist mit ihren 14 Jahren und ihrer ruhigen und geduldigen Art ein "ultimativ ideales Testobjekt", wie sie von der Ärztin schmunzelnd genannt wird. Sie kann still halten, sich ausdrücken und sagen, wann und wo etwas weh tut, was bei kleineren Patienten halt oft nicht der Fall ist. Deswegen wurde sie schon häufig angefragt, ob angehende Ärzte und Pflegefachfrauen an ihr "üben" dürfen beim Port anstechen, bei Überwachungen oder den obligaten täglichen Untersuchungen von Lunge, Herz, Milz, Leber, Hals, Mund, Ohren, Lymphknoten, Beine, Füsse...

Heute ist eine Medizinstudentin an der Reihe. Sie macht einen etwas unsicheren Eindruck, wird aber genauestens instruiert und korrigiert von der Assistenzärztin, die dann ihrerseits alles nochmals nachkontrolliert. Das dauert seine Zeit aber Malin trägt es mit Fassung und ausserdem sind wir ja schliesslich auch froh um unsere kompetenten Ärzte, die genau das alles auch irgendwann einmal lernen und üben mussten.

Die Abteilung ist voll belegt, 13 Kinder sind einquartiert, wobei nicht alle davon Onkopatienten sind. Einige Diabetiker sowie Kinder mit psychosomatischen Erkrankungen (wie etwa Magersucht) sind ebenfalls auf dieser Station. "Unsere" Pflegefachfrau hat also alle Hände voll zu tun, lässt sich aber - ganz souverän - nichts davon anmerken und schafft es sogar, ihren Humor zu bewahren!

 

Nach dem Mittag verabschiede ich mich von Malin, fahre los, um meine zwei Lektionen zu unterrichten. Ich tauche ein in eine ganz andere Welt, bin für zwei Stunden gedanklich fern von Spital und Krankheit. Und auch wenn es mir manchmal schwer fiel in den letzten Monaten, tat es doch irgendwie auch gut - diese Prise heile Welt...

Nach der Schule fahre ich direkt wieder ins Kispi zu Malin - während ich weg war, hat sie fast die ganze Zeit in ihrem Buch gelesen. Wir essen z'Nacht, ich richte das Klappbett ein, wir telefonieren noch mit dem Rest der Familie. Es kommt uns irgendwie eigenartig vor, nach einer längeren Pause wieder hier zu übernachten. Unweigerlich werden Erinnerungen wach an die intensiven Zeiten, wo wir zusammen gerechnet mehrere Monate hier verbrachten. "Weisst du noch als....?" Ja, wir wissen es beide noch. Schlimme Tage wurden abgelöst von schlimmen Nächten.... über lange Zeit.

Malin sagt: "Alli hend zu mier gseid: Dui hesch jetzt ä bsunders holperigä Therapiestart gha, jetzt wirds sicher besser!"

Wurde es nicht.

"Nach em dritte mal uf de Intensivstation han ich neyme glaibt!"

 

Nach der Chemogabe wird Malin für 24 Stunden geschwemmt, muss dabei Trinkmenge und Urinmenge bilanzieren. Die Bilanz ist am Abend leider positiv, erneut wird ihr Lasix gespritzt. Malin muss nun sehr oft und sehr schnell auf die Toilette (mit Topf...) rennen - mit "Kari" im Schlepptau ein recht mühseliges Unterfangen, das sie mittlerweile aber erstaunlich gut im Griff hat und entsprechend locker nimmt!