Zwei

Unsere Heinzelmännchen sind wieder aktiv: Die beiden Grossväter spannen zusammen und während wir alle weg sind pflügen sie gemeinsam mit Hilfe einer Maschine unseren Garten und setzen die Beete. Dafür werden sie vom Nachbarbauern spontan zu einer Pause aufgefordert und zu einem Bier eingeladen, was ihnen allen dreien mit Sicherheit gefällt. Der Garten sieht wunderbar aus, die Erde ist locker und wartet nur noch auf Setzlinge und Saat!

Meine schlaflosen Nächte in letzter Zeit waren nicht nur aufgrund des bevorstehenden Klassenwechsels. Malins tiefe Blutwerte waren immer wieder ein Thema, machten uns zunehmend Sorgen. Vor dem heutigen Untersuch bin ich schon fast ein bisschen nervös. Was ist, wenn die Werte weiter gesunken sind trotz Chemopause?

 

Während der Hinfahrt liest mir Malin ein Witz nach dem anderen vor und oft müssen wir lauthals lachen. Malins Schmunzelecke beeinhaltet nun schon 358 Witze! Nachdem Malin vor fast genau einem Jahr krank wurde, richtete ihr mein Bruder einen Chat ein: Die Schmunzelecke - mit dem Ziel, sie wenigstens einmal am Tag aufzumuntern - vor allem auch in besonders schwierigen Zeiten. Und so schickt er ihr jeden Tag einen Witz - und dies nunmehr seit 358 Tagen! Welch eine gute Idee - mit welch bewundernswerter Ausdauer! Und Malin sagt anerkennend, dass bisher erst zwei Witze doppelt vorkamen, was ja noch eine zusätzliche Herausforderung ist. So hatten wir schon einiges zum Schmunzeln und Lachen. Nun fehlen noch 7 Witze, und dann ist das Jahr voll...

 

Wie immer wetten wir um die freien Parkplätze. Meistens verliere ich - keine Ahnung warum. Heute tippe ich auf 12, Malin auf 97. Es sind nur noch 5. Glück gehabt! Denn schon oft hat die Ziffer 0 knallrot geleuchtet: Besetzt! Dann wird's mühsam. 

Kaum im Ambi angekommen, dröhnt uns abartig lauter Baustellenlärm entgegen. Wir verstehen unser eigenes Wort nicht mehr. Eigentlich müssten wir nun auf die Ärztin und die Laborwerte warten. Die Pflegefachfrau macht uns den Vorschlag für eine halbe Stunde nach draussen zu gehen, das sei ja schlicht nicht auszuhalten hier. Gleich angrenzend an "unserem" Zimmer spitzen sie weiss Gott was alles heraus. Also flüchten wir ins Freie, setzen uns etwas ausserhalb des Spitalareals (damit Malin den Mundschutz ablegen darf) auf eine Treppe und tanken die Sonne auf.

Anscheinend wird nun ein Aufenthaltsraum für Kinder und Jugendliche gebaut, vor allem für Langzeitpatienten - so wie Malin eine war. Genau das hat wirklich gefehlt, aber für sie kommt es nun etwas gar spät. 

Die Pflegefachfrau fragt uns, wie der nächste Chemoblock bei Malin aussieht. Da es nur so wenige High-Risk-Patienten gäbe, habe sie das Protokoll gerade nicht präsent. "Wie viele Kinder und Jugendliche sind denn bei der ALL im Hochrisiko eingestuft?" wollen wir wissen. "Wenn ich an die letzten vier bis fünf Jahre zurückdenke sind es nur zwei - mit dir Malin." Also Malin und der 9-jährige Junge, den wir auch kennen gelernt haben, mit dessen Mutter ich schon oft im Gang gesprochen hatte. Auch er litt unter heftigen Nebenwirkungen nach diesen hochdosierten Blöcken. Nicht ganz so schlimm wie Malin, er durfte immer auf der Station bleiben, während Malin nach jedem Block auf die IPS verlegt werden musste. Wahrscheinlich kam ihm zugute, dass er ein paar Jahre jünger ist als sie. Nur er und sie - in all den Jahren.... das macht mich nachdenklich... trägt nicht gerade zu einem guten Gefühl bei.

Immerhin, Malins Blutwerte sind gestiegen. Wir sind erleichtert über die aktuellen Laborwerte, sind froh, dass es tendenziell aufwärts ging. Die Chemo wird ab heute wieder weiter geführt.

 

Heute Abend geht sie - genau nach einem Jahr - wieder das erste mal in die Klavierstunde. Sie hat sich ein Lied herausgesucht, welches sie gerne lernen möchte. Malins Klavierlehrerin hat sich während diesem Jahr immer wieder mit wundervollen Karten und vielen schönen Gesten bei ihr gemeldet. Und auf wohlwollende Art und Weise hat sie sie immer wieder aufgemuntert, sich jederzeit zu melden, wenn Malin mit ihr ein paar Takte Klavier spielen oder gar ein neues Stück einüben mag. Heute ist es soweit. Das freut uns ganz besonders - wie sehr haben wir diese schönen Klavierklänge durch das ganze Haus vermisst...