Ein denkwürdiger Tag. Heute sind genau 365 Tage vergangen, seit Malin an jenem sonnigen Montag Nachmittag in den Osterferien nichtsahnend zur Hausärztin ging - und für lange Zeit nicht mehr nach Hause kam... Nicht einmal packen durfte sie mehr. Krebs! Ein gnadenloser Gegner!
Malins aber auch unser Leben hat sich komplett geändert, um 180 Grad gedreht - und Malin wurde völlig unvorbereitet auf einen besonders schweren Weg "geschickt".
Nun hat sie Halbzeit, ein ganzes Jahr ist um, die "Mittelstation" erreicht. Der Weg bis hier hin erwies sich als besonders hart. Der Start war steinig, der Aufstieg unerwartet stotzig, der Grat lebensgefährlich schmal. Links und rechts drohte der Abgrund. Ohne Seil unterwegs, ungesichert. Keine Hilfe, keine Stütze, keine Abkürzung. Nichts. Hochrisiko! Lebensgefahr! Ein einziger Fehltritt nur genügt....
Immer wieder Stürze, Rückschläge, Umwege, Gewitter und Sturm. Sich immer wieder aufraffen, weiterkämpfen, weitergehen. Ohne Pause. Ohne Erholung. Der Berg schien so hoch, der Berggipfel noch so weit weg ... noch immer nicht sichtbar, bei weitem nicht! Wie hat sie gekämpft und gelitten auf ihren Weg bärguif! Sie aber gab nie auf - trotz Schmerzen, Tränen, Trauer, Entbehrungen, Angst... sie stand stets wieder auf, ganz so wie sie es mir einst versprochen hat - und ging ihren Weg weiter! Trotzte dem brutalen Auf und Ab und hat dabei nie ihren Lebensmut verloren. Sie ging ihren Weg mit soviel Mut, Zuversicht, Hoffnung, mit immer wieder neuer Kraft und mit dem unerschütterlichen Glauben daran, dass es - irgendwann - gut kommt! Sie wird ihre Bergspitze erreichen!
Und wir? Wie gern hätten wir sie getragen! Oder wenigstens gestützt oder ein Seil gereicht zur Sicherung... Ging nicht. Wir konnten nur für sie da sein - mussten zusehen, wie sie vor allem im ersten Halbjahr zu kämpfen hatte. Mitte August - Schulanfang und Padis Geburtstag - Malin lag auf der IPS, lebensbedrohlich krank. Dieser Wegabschnitt war besonders hart, war das schmerzvollste, was ich je erleben musste. Es tat so wahnsinnig weh, war manchmal schier nicht auszuhalten. Dieses Nichts-tun-können - Malin so leiden und kämpfen zu sehen - und dann diese elende Angst, die sich wie ein Würgegriff um den Hals klammerte und manchmal so zudrückte, dass man kaum mehr atmen konnte.
Es war eine Grenzerfahrung, die uns allen alles abverlangt hat - am meisten aber von Malin. In dieser Zeit war es nicht einfach, das Gute im Leben nicht aus den Augen zu verlieren...
... und da waren sie, die vielen Karten, Briefe, Whatsapp, Emails und später die Gästebucheinträge, immer wieder ein feiner Kuchen, ein Essen, ein Besuch oder ein wunderschön bunter Blumenstrauss vor der Tür oder ein Päckli im Briefkasten... So viele gute Leute haben uns mit wohlwollenden, tröstenden, aufmunternden Worten und Gesten durch dieses Jahr begleitet und tun dies noch immer! Abnehmen kann man Malin und uns diesen Weg nicht, aber zu wissen, dass man in Gedanken mitgetragen wird - das tut gut, gibt Kraft und Zuversicht! Danke an euch alle, die ihr da wart und noch immer seid! Ein grosses DANKE - von Herzen!
Mittelstation: Die Hälfte des Weges hat sie hinter sich. Es war mit Sicherheit der schmerzhaftere, steilere Weg. Der Onkologe sagte letzthin: "Du hast schon so viel durchgestanden - was jetzt noch kommt, ist der reinste Spaziergang für dich!"
Nächsten Dienstag startet der letzte härtere Wegabschnitt, der letzte intravenöse Chemoblock des Intensivchemoprotokolls. Wenn alles nach Plan läuft, dauert er rund einen Monat, dann startet das Jahr mit der Dauerchemo. Mir scheint, der Weg ist gängiger, breiter, flacher geworden und ein Ende nun in Sichtweite. Malin selber ist gut unterwegs, nimmt diesen letzten Teil mit bewundernswerter Gelassenheit in Angriff und hat ihr verschmitztes Lachen und ihr Strahlen in den Augen wieder gefunden!
Der Berggipfel ist noch weit weg - aber ich glaube, wir können den Umriss schon sehen...