"Last-Chemo-Torte"

Damit sich nach Enyas Armbruch eine mögliche Schwellung ausdehnen konnte, wurde ihr letzte Woche der Gips wieder längs aufgeschnitten und mit der gelben Binde fixiert. Heute morgen nun wird die Öffnung mit blauer Gipsbinde geschlossen. Soweit scheint alles in Ordnung und bereits am Mittag ist der Gips mit ersten Unterschriften geziert.

Während der Fahrt ins Kispi fragt mich Malin aus heiterem Himmel, ob ich für sie eine "Intensivchemotherapie-Ende-Torte" backen würde. 

Eine was? 

Sie erklärt mir, sie hätte das Bild eines Mädchens im Internet gesehen - dieses hält strahlend eine Torte in die Kamera auf der geschrieben steht: "I can't be calm - today is my last CHEMO!"

Das machen wir! Auf das Ende der Intensivchemo hin backen wir eine grosse Torte mit allem was dazu gehört! Über die Grösse, Form, Füllung und Geschmacksrichtung können wir uns ja noch Gedanken machen und sie kann noch ihre Wünsche einbringen - wenn alles gut läuft, wird die grosse Intensivchemoende-Torten-Feier nämlich Anfang Juni stattfinden! Nur schon der Gedanke daran lässt bei Malin vor Freude die Tränen kullern...

 

EKG, Ambisome, Actilyse, Chemos, Urinkontrolle, Insuflon stecken, ärztliche Kontrolle mit der abschliessenden Frage: "Was stört dich am meisten im Moment? Das vom Cortison veränderte Hungergefühl, das Geschmacksempfinden, die schlechte Laune oder die Übelkeit durch die Chemo?" 

"Alles! Ich bi froh, wenn das ganzi ändlich verbii isch!" 

Eine klare Aussage.

Zugegeben, auch für uns ist es recht gewöhnungsbedürftig: Malin vermag zurzeit ziemlich verbal auszuteilen, ist viel gereizter als sonst, oft traurig. Manchmal erkennt sie sich wohl selber fast nicht. Aber wir wissen ja, kaum wird das hochdosierte Cortison wieder ausgeschlichen und abgesetzt, wird sie wieder unsere "altbekannte" Malin. Manchmal zwar auch durchaus stur und dickköpfig - aber mit einem ganz weichen, verletzlichen Kern, sehr friedliebend, äusserst sozial, hilfsbereit und mit viel Lebensfreude und Schalk!

Den ganzen Nachmittag verbringen wir im Kispi, schauen durch die Storen an die von der Sonne schön beleuchtete Bergkulisse. Es kribbelt in den Beinen. Am liebsten möchte man loslaufen... ab ins schöne Wetter! Aber wir warten - bis alle Gutterli leer sind (und es sind einige!), alles besprochen, ergänzt, gemessen ist. Nach über vier Stunden dürfen wir dann endlich los.

 

Nach dem z'Nacht machen Enya und ich es uns in den Liegestühlen im Garten bequem und sie liest mir aus ihrem aktuellen Buch "Nele" vor. Das macht sie gern und seit über einem halben Jahr sehr regelmässig. Ursprünglich war es ein Auftrag aus der Schule aber mittlerweile glaube ich, sie geniesst diese Zeit, wo wir einfach nur zu zweit sind. Sie liest vor, ich höre zu. Dabei sind ihre Fortschritte beim Lesen unüberhörbar, es ist also durchwegs eine gefreute Sache - im doppelten Sinn.

 

Als "Belohnung" für Malin fährt Padi mit ihr auf der Vespa den Berg hoch, um die letzten Strahlen der Abendsonne noch einzufangen. Es hat sich gelohnt - als sie unsere Auffahrt wieder hoch fahren, sind ihre Augen wohl ähnlich leuchtend wie die Abendsonne zuvor - und dies trotz Cortison!