Erneut sind wir mit dem zierlichen jungen Mädchen im Zimmer, erneut ist es eng - für alle. Man gewöhnt sich daran. Das Mädchen hat starke Schmerzen - es sind die offenen Mundschleimhäute. Das tut wahnsinnig weh - auch sie kann kaum mehr reden, nicht mehr essen. Malin weiss nur allzu gut, wie das ist... Die Mutter fragt uns, ob wir vielleicht einen Tipp für eine mögliche Linderung hätten. Ja, aber leider sind diese nur spärlich: Es gibt ein Spray, der kurzfristig lokal schmerzstillend wirkt, eine Spülung zum Desinfizieren der Wunden und schlussendlich das Lasern - das hatte Malin am besten geholfen. Mehr gibt es kaum. "Wie lange hält denn dieser Zustand an?" fragt sie den Onkologen und hat dabei Tränen in den Augen. Sie leidet mit ihrer Tochter mit. Und obwohl ich sie nicht kenne, scheint sie mir im Moment so nah - sie erlebt gerade das, was auch wir erlebt hatten... und trotzdem - auch uns fehlen die richtigen Worte, um sie in diesem Moment trösten zu können. Es gibt keine.
Der Onkologe antwortet ihr etwas ausweichend, nennt einen Durchschnittswert. Es ist nicht einfach einen bestimmten Zeitraum zu nennen, bei allen Kindern wird es wohl etwas anders sein. Malin hätte dies auch durchgemacht, sagt er, fügt aber sogleich an, dass sie ein erdenklich schlechtes Beispiel eines normalen Therapieverlaufes sei... definitiv nicht im Durchschnitt...
Beiden Mädchen tröpfelt das Ambisome in die Venen, beide warten auf ihre Laborwerte. Die Blutwerte sind heute bei beiden entscheidend, ob der nächste, beziehungsweise der letzte Chemoblock gestartet werden kann. Beim Mädchen nebenan reichen die Werte zum Starten aus, bei Malin nicht. Die Portnadel wird wieder gezogen, wir packen alles zusammen, verabschieden uns und machen uns auf den Heimweg. Heute ist es nur halb so schlimm, die Sonne scheint, wir werden ins schöne Wetter entlassen. Auch gut.
Wir geniessen den Garten, da und dort gibt es etwas zu tun. Joel geht am Abend mit einigen Kollegen grillieren und möchte ein selber gemachtes Tiramisu mitbringen. Malin hilft ihm gerne dabei. Zu lautstarker Musik werkeln sie gemeinsam mit noch einem Kollegen in der Küche, während Enya mit ihrer Freundin draussen herumrennt. Ja, sie rennt - die vom Arzt verschriebene Schonfrist interpretiert sie auf ihre eigene Weise...
Das spärliche, raspelkurze Kopfhaar fällt wieder aus. Malin zupft so lange daran, bis sie einen rechten Haarbauschen zusammen hat und klemmt diesen zwischen Oberlippe und Nase, so dass es aussieht, als hätte sie einen Schnauz. Dazu verdreht sie ihre Augen - sieht witzig aus, wir müssen lachen - typisch Malin! Dann fährt sie mit Padis Rasiergerät über ihren Kopf - zum letzten mal!