Joel ist bereits am Samstag ins Vorlager abgereist. Er half beim Aufbau des Zeltdorfes mit, damit alles parat ist für die ankommende Fluggesellschaft. Die Air St. Rochus (ihr diesjähriges Motto) hebt heute ab ins Pfadilager. Schon am Morgen früh besammeln sich die Fluggäste am Stanser Bahnhof und werden mit einer persönlichen Boarding Card ausgerüstet. Sie sind zum Abflug bereit - das Lager beginnt! Enya freut sich darauf, Heimweh kennt sie kaum (weisch Mami, ich dänkä scho viel a eych, aber es gaht gliich!) das einzige für sie Besorgniserregende ist rund einsfünfundachtzig gross und blond und gehört zur Familie... Dabei habe ich allerdings weniger Bedenken: Ich weiss, er liebt seine kleine Schwester innig (auch wenn er sie oft plagt und piesackt) und wenn es darauf ankommt, wird sie ganz bestimmt auf ihn zählen können. Es wird sicher nicht halb so schlimm wie sie befürchtet und wer weiss - vielleicht mutiert er zu einem beschützenden, liebevollen grossen Bruder...
Noch eine innige Umarmung, ein dicker Schmutz und ein letztes Winken und dann heben beziehungsweise fahren sie ab für zwei Wochen. Ohne Malin. Trotzdem wollte sie mitkommen um Enya und die anderen Gspändli zu verabschieden. Sie sagt nicht viel - kann sie auch nicht, der Mund schmerzt sehr. Die abgeheilten Krusten platzen wieder auf beim Reden und Essen und die neuen Herpesbläschen (sie breiten sich im ganzen Gesicht aus) spannen und jucken... und so sitzt sie still da, trinkt, isst und spricht kaum mehr. Sie tut mir richtig leid. Zu Hause mixen wir ein frisches Himbeerfrappé, mit dem Röhrli trinken, das geht wesentlich besser.
Malin fühlt sich nicht besonders gut und hat Bedenken: "Mini Wärt sind sicher im Chäller - diä sind so wiit unnä, fascht bi de Lava..." Heute hat sie sich ausnahmsweise getäuscht - ihre Werte sind allesamt gestiegen, die Startkriterien sind dieses mal erfüllt - wenn nur dieses fiese Herpesvirus nicht wäre! Malins Körper hat schon alle Hände voll zu tun, dagegen anzukämpfen - wenn jetzt noch eine Ladung Chemo dazu kommt, ist es definitiv zu viel für ihr sonst schon geschwächtes Immunsystem... Die Chemo wird vorsichtshalber nicht gestartet. Nächster Termin: Freitag.
Zum Aufmuntern packen wir unser Liegestühle und Decken ein und gehen am Abend ins Openair-Kino im Strandbad Buochs. Wir nehmen an, dass die Komödie "c'est la vie" ähnlich witzig und tiefgründig sein wird wie der Vorgänger "Intouchable". Aber der Film ist recht langatmig und auch inhaltlich überzeugt er uns nicht wirklich... macht nichts, der Abend ist schön und es tut irgendwie schon gut, einfach im Liegestuhl hier draussen am See in der Dunkelheit zu liegen.
Um Mitternacht sind wir zu Hause und weil der Sternenhimmel so klar leuchtet, entscheiden wir uns spontan, im Freien zu schlafen. Zumindest ein Hauch von Pfadilagerstimmung kommt auf. Wir pumpen die Matratze auf, zünden ein paar Kerzen an, mummen uns in warme Decken und Schlafsack ein und betrachten zufrieden den Sternenhimmel.