Malin hatte sich schon lange gewünscht mit der Cabriobahn aufs Stanserhorn zu fahren und oben auf dem Berg Älplermagronen zu essen. Oft kam irgend etwas Unvorhergesehenes dazwischen und während den Sommerferien schreckten uns die Hitze und die langen Warteschlangen vor dem Kassenhäuschen ab.
Heute hat Padi frei, das Wetter ist sonnig und Joel erklärt sich bereit, für Enya das z'Mittag zu kochen und mit ihr gemeinsam zu essen, wenn sie von der Schule nach Hause kommt. Also fahren wir zu dritt schon ziemlich früh los, um beizeiten auf dem Horn zu sein. Auf der Mittelstation strömen die Touristen allesamt auf das Cabrio-Oberdeck, Malin mit ihren Krücken und den geschwächten Beinen hat keine Chance, rechtzeitig hoch zu kommen. Also bleiben wir im gedeckten Untergeschoss der Bahn, was sie bedauert. Der junge aufmerksame Bähnler begrüsst uns freundlich, erklärt das eine und andere interessante vom Berg, wie er das wahrscheinlich bei jeder Fahrt tut. Dasselbe dann bei den Mitfahrern auf dem Oberdeck, bevor er sich wieder zu uns gesellt und schliesslich fragt, ob wir denn auch gerne mal oben "Cabrio" fahren möchten.
"Ja, eigentlich scho..." sagt Malin.
"Wenn alle Leute ausgestiegen sind, dürft ihr in aller Ruhe aufs Oberdeck gehen - mit mir nochmals bis zur Zwischenstation hinunter und dann wieder hoch fahren - wenn ihr denn wollt." Welch nette Geste! Genau das machen wir. Malin hat nun genügend Zeit, Schritt für Schritt die Treppe hoch zu steigen. Oben setzt sie sich auf ihre Krücken, die wir dazu kleiner einstellen. So fahren wir ganz alleine mit dem netten Bähnler die Strecke wieder nach unten, geniessen die wunderbare Aussicht und schauen dann zu, wie eine asiatische Touristengruppe mit gezückten Handys eifrig zu uns hochsteigt. Und dann geht es für uns bereits zum zweiten mal aufs Horn heute. Schön ist's!
Heute Abend feiern wir ihn - Padis Geburtstag - in gemütlicher spontaner Runde im Garten. Letztes Jahr wollten wir ursprünglich bei Malin im Spital feiern und Kuchen essen, aber innert nur wenigen Stunden verschlechterte sich ihr Zustand dermassen, dass nichts daraus wurde. Im Gegenteil: Malin wurde in dieser Nacht notfallmässig auf die IPS verlegt mit einer schweren Bauchspeicheldrüsenentzündung, einer Lungenentzündung, einer Blutvergiftung... Die ganze Nacht wurde an ihr "herumgedoktert". Es war schlimm - die Angst gross. Ihr Blutdruck fiel so tief wie jener eines Neugeborenen...
Im Vergleich dazu geht es ihr heute gut. Doch als sie jemand aus der Runde nach ihrem Befinden fragt, sagt sie nur: "Gäg ussä gaht's mier guet - aber eigentlich gaht's mier scheisse..."
Deutliche Worte, die man sich so von ihr nicht gewohnt ist, jedenfalls nicht ausserhalb der Familie. Betretenes Schweigen. Sie hat recht - auch wenn es die anderen im ersten Moment überfordert. Diese ewigen Schmerzen, diese Unbeweglichkeit, Eingeschränktheit, Abhängigkeit, Übelkeit. Dieses "Immer-noch-weiter-kämpfen-müssen" nach so langer Zeit und dabei zu spüren, dass die Kräfte weniger und die Schmerzen mehr werden. Das ist Scheisse. Nichts anderes. Sie hat recht.
"Der reinste Spaziergang" wird es nun wohl nach Ende der langen Intensivchemotherapie für sie sein, sagte einst der Onkologe aufmunternd zu Malin. Wir freuten uns so darauf! Aber es ist kein Spaziergang. Es ist Schmerz - jeder einzelne Schritt! Ein Ende scheint nicht in Sicht. Das zehrt - und macht müde. Uns alle.