Wir sind unterwegs nach Basel in die Uniklinik. Heute nun erfahren wir endlich genaueres über Malins Beinprobleme. Wir haben uns Fragen aufgeschrieben, es sind einige. Padi hat ebenfalls frei genommen - ich bin froh drum. Nach dem Aufnahmeprozedere mit allen nötigen Angaben und einer kurzen Wartezeit sitzen wir nun beim Knie-Spezialisten in der Orthopädie. Der Professor erklärt uns in verständlichen und unverblümten Worten, wie es um Malins Knie steht und zeigt es an einem beweglichen Kniemodell sowie an Malins MRI-Aufnahmen am Bildschirm. "So sieht ein gesunder Knochen innen aus - und so sehen die Knochen von Malin aus", er deutet dabei auf ein grosses, auffälliges Muster im Knochen. "Es sieht fast ein bisschen aus wie Popcorn... - dieser Knochen ist tot. Es ist eine schwierige Situation - ein Scheiss!"
Klartext. Er sagt's gleich.
Dann zeigt er uns den Knorpel, der sich grossflächig vom Knochen ablöst. "Und das ist das zweite Problem."
Den Knorpel könnte man wieder an den Knochen schrauben - aber nur an einen gesunden - nicht aber an Malins.
Er sagt klar und deutlich, wie es ist. Er beschönigt nichts. Er hätte uns gerne eine gute Lösung präsentiert, sagt er, aber die gibt es nicht. Die Situation ist ernst. Dieser Fall kommt so fast gar nicht vor, einigermassen vergleichbare Fälle in den letzten Jahren gibt es nur fünf. "Wir haben also kaum Erfahrungen damit. Es wird ein experimentelles Arbeiten - versprechen oder garantieren können wir nichts."
Eine Operation ist unumgänglich. Zuerst muss jedoch geprüft werden, ob noch andere Partien betroffen sind, wie die Schultern oder das Hüftgelenk. Oft werden diese ebenfalls durch die Steroide und das Methotrexat in Mitleidenschaft gezogen.
Die Ärzte hoffen, dass der Beckenknochen intakt ist. Aus dem Beckenknochen wird gesundes Knochengewebe entnommen und in Ober- und Unterschenkel implantiert. Dazu werden Löcher in die "toten" Knochen gebohrt, die dann - er vergleicht sie mit Silos - mit gesundem Knochengewebe gefüllt werden. Erst dann wird der lose Knorpel am Knochen angeschraubt. Aufgrund des Implantats des gesunden Knochengewebes kann sich der "tote" Knochen wieder langsam regenerieren. Das braucht allerdings viel Zeit - kann Monate, Jahre dauern.
Er würde die Operation am liebsten gleich machen. Die Chance, dass es Malin schneller wieder besser ginge und der Knorpel sich nicht noch weiter ablösen würde, wäre um einiges grösser. Aber es geht nicht. Das hochdosierte Cortison kommt im Therapieprotokoll zwar nicht mehr vor, das Methotrexat, der zweite "Übeltäter", aber schon. Es ist eines der beiden peroralen Chemomittel, die Malin noch immer einnehmen muss - und dies bis Ende April 2019. Konkret heisst es: Davor wird möglichst nicht operiert, ausgenommen dann, wenn Malin die Schmerzen nicht mehr aushalten kann. Dann würden sie trotzdem operieren mit dem Risiko, dass das Zytostatikum wieder entgegen wirkt... die letzte Möglichkeit wären dann Prothesen...
Wir bleiben gefasst, hören zu, was er uns zu sagen hat, stellen Fragen, die er geduldig beantwortet. Innerlich aber könnte ich schreien! WARUM? Hat sie es nicht einfach einmal verdient, von all dem Zeug verschont zu werden?!
Wir haben gehofft... so sehr gehofft, dass sich doch noch eine Lösung finden lässt und er uns sagen kann: Das wird schon wieder, das bringen wir wieder hin! Aber er kann es nicht. Fehlende Erfahrungen, experimentelles Arbeiten, keine Garantie...
Ich finde grad keine Worte mehr.
Malin sitzt ruhig auf ihrem Stuhl und hört nur zu. Sie sagt nichts. Er schaut sie eindringlich an. "Du musst eines sehen: Du LEBST - du hast schon vieles ÜBERlebt. DU wirst deinen Weg gehen. Er wird vielleicht etwas anders sein als du gedacht hast - aber es wird DEIN Weg! Ja, deine Knie werden dich wohl dein Leben lang beschäftigen, aber du kannst trotzdem gut weiter leben - auf deinem Weg - den DU gehst!"
Er hat Recht. Der Weg geht weiter. Auch so. Und wir gehen weiter mit ihr, wie bisher.
Sie wird es schaffen! Auch das - ich weiss es.