Tapetenwechsel

Foto: Flavio
Foto: Flavio

Vor rund einem halben Jahr gab uns die Ärztin grünes Licht, im Herbst für eine Woche an einen "zivilisierten" Ort reisen zu können. Sogleich machten wir uns auf die Suche und sammelten Ideen. Zum Beispiel eine Kreuzfahrt im Mittelmeer, da wären Ärzte gleich mit an Bord - in Anbetracht von Malins Vorgeschichte wurde uns jedoch trotzdem klar davon abgeraten.

Irgendwo ans Meer mit hohen Wellen möchte Joel gerne... Padi aber nicht zu lange und zu weit Auto fahren...

Flugzeug und Fähre fielen ebenso weg, zu oft schon hatte Malin unvorhergesehene Komplikationen, so dass wir es ganz einfach nicht wagten, von irgendwelchen Fahr- oder Flugzeiten abhängig zu sein. Wir waren auf der Suche nach einem Ort, der innert nützlicher Frist erreichbar aber trotzdem als Tapetenwechsel spür- und sichtbar ist: Der Gardasee! Wir selber waren noch nie dort, aber Freunde und Bekannte haben schon davon geschwärmt. Joels grosse Wellen am Meer müssen halt noch ein bisschen warten. Kommt schon noch. Morgen nun fahren wir erstmal los Richtung Peschiera - vor einem halben Jahr haben wir eine Ferienwohnung gebucht, jetzt ist es endlich soweit, die Vorfreude darauf ist gross!

 

Dass Malins Klassenlager und Joels Wanderwoche unmittelbar vor den Herbstferien stattfinden würden, daran dachten wir im Frühling natürlich nicht und so findet ein zwangsläufig rasantes Umpacken statt!

Padi holt Malin direkt am Bahnhof ab und fährt mit ihr ins Kispi zur Blutkontrolle. Alles soweit in Ordnung. Am Abend erzählen Joel und Malin von ihren zahlreichen Erlebnissen im Lager. Beiden hat es sehr gefallen. Für Malin war diese Woche besonders wichtig, sie fühlte sich wohl mit ihrer neuen Klasse, hat es richtig geniessen können, sogar Feuer hat sie gespuckt! Strahlend und richtig gut gelaunt zeigt sie uns Fotos davon. Wir sind beeindruckt!

Joel seinerseits bekam anfangs Woche von einem Lehrer eine Kamera in die Hände gedrückt mit dem Auftrag, die Wanderwoche fotografisch festzuhalten. Das passt, sowas macht er gern und er hat auch ein Faible für interessante Blickwinkel und spezielle Aufnahmen. So zeigt er uns wunderbare Landschaften bei herrlichem Wetter, eindrückliche Bergkulissen, stattliche SAC- Hütten, klare Bergseen und immer wieder lauter zufrieden dreinschauende Gesichter aus seiner Klasse. Auch er hatte offensichtlich eine tolle Woche und stellte mitunter grinsend fest, dass auch seine Lehrer nur Menschen sind und sogar richtig witzig waren. Offenbar gab es so einiges zum Lachen...

 

Irgendwann am Abend fallen sie mir auf, die ganz feinen, noch kaum sichtbaren Bläschen an Malins Lippen. "Bekommst du wieder Bläschen?" frage ich sie nur. Sie nickt. "Hast du es heute im Spital gesagt?" Hat sie nicht. Sie hatte Angst, dass sie gleich dort behalten wird und wir dann nicht in die Ferien fahren könnten. Die Angst war wohl in diesem Zeitpunkt noch unbegründet, aber ich verstehe sie trotzdem. Bei mir gehen auch gleich die Alarmglocken los, wenn ich nur einen Ansatz von Herpes an ihr sehe - zu präsent ist noch die stationäre Woche mit dem Superinfekt im Sommer. Was nun? Freitag Abend, morgen fahren wir in die Ferien. Im Ambi erreiche ich wie erwartet niemanden mehr. Und bis sich ein aussenstehender Arzt in Malins Unterlagen eingelesen haben wird.... Eigentlich weiss ich mittlerweile selber, wie zu handeln ist. Wir erhöhen ihre prophylaktische tägliche Dosis auf eine behandelnde hochdosierte Menge alle acht Stunden. Die nötigen Medikamente haben wir zum Glück noch zu Hause. Im Verlaufe der Woche werden wir sie wieder langsam reduzieren, damit Malins Nieren nicht unnötig überbelastet werden. So hoffen wir, dass wir diesmal das Virus im Griff behalten werden. Und die italienische Luft wird das ihrige dazu tun...