Malin erzählt, dass der Facharzt gestern zu ihr sagte, er habe grossen Respekt vor ihr. Wie sie die neue Diagnose aufgenommen hätte - wie ein Fels in der Brandung sei sie geblieben und dies, obwohl sie eine so lange und intensive Krankengeschichte bereits hinter und noch einiges vor sich habe.
Und dann fügt sie mit ihrer gewohnt trockenen Art noch an: "Und weisch was - es sind alli so überrascht, dass ich eso guet rächnä cha - gsehn ich de so blöd uis?"
Die Schulungen und Beratungen sind intensiv, dauern mehrere Stunden. Wir haben allerdings einen grossen Vorteil: Malin hat bereits Erfahrungen mit Insulin spritzen (machen müssen) und ist dadurch mit dem Handling von Blutzuckermessgerät sowie Pens vertraut. Ausserdem hat sie bereits im letzten Winter gelernt, sich die Spritzen selber zu setzen, worüber ich sehr (wirklich sehr!) froh bin. Es kostete mich jedes mal grösste Überwindung sie zu stechen - auch nach dem x-ten mal noch hatte ich Mühe damit. Aber was blieb anderes übrig?
Jetzt macht sie alles selber, in ihrer gewohnt unkomplizierten und pflichtbewussten Art. Ich staune einmal mehr über ihre enorme innere Stärke, diese neue Bürde zu tragen!
Wir werden genau instruiert, wie die Kohlenhydratwerte auszurechnen sind. Wir lernen, in welchen Abständen Kontrollen fällig sind und was bei einem allfälligen Hypo zu tun ist. Wir erhalten eine Notfallspritze und es wird uns genau gezeigt, wie diese anzuwenden wäre, falls Malin wider Erwarten bewusstlos würde. Das käme glücklicherweise nur selten vor, sagt die Beraterin.
Ein Diabetesausweis soll bei einem Notfall Klarheit schaffen, welche ersten Massnahmen zu ergreifen wären. Zusätzlich ist er mit den wichtigsten Nummern versehen.
Zugute kommt uns auch, dass wir bereits wissen, was Kohlenhydrate sind und in welchen Nahrungsmitteln sie vorkommen. Und da nicht nur Malin ganz richtig erkannt hat, dass sie locker den Dreisatz rechnen kann, kommen die Ärzte zum Schluss, dass für uns eine gestraffte und gekürzte Einführung durchaus reichen würde und wir aufs Wochenende heim dürften. Das ist eine erfreuliche Ansage und wir geben uns nun noch mehr Mühe beim Rechnen!
Um zwischendurch den Kopf zu "verlüften", spielen wir im Gang Tischtennis oder im neuen Spielzimmer "Tutto". Nebenan auf dem Sofa sitzen zwei Jungs mit je einer Konsole in der Hand und spielen "Fifa". Wir reden nicht viel miteinander, da alle in ihr Spiel vertieft sind, aber nur schon ihre Anwesenheit tut irgendwie gut, gibt das Gefühl, nicht ganz allein zu sein.
Malin sagt: "Es tued mier leid, ich ha mis Verspräche nid chennä haltä…."
"Welches Versprechen?" frage ich erstaunt. "Ich ha dier versprochä, dass es keini wiiteri Komplikationä meh gäh wird..."
Ja, genau - ich erinnere mich daran. Ich habe ihr das Versprechen abgenommen, dass es jetzt doch wirklich reichen würde mit zusätzlichen Hürden - wir haben uns sogar die Hand darauf gegeben...