Seit Dienstag hat Malin immer wieder starke, wiederkehrende Kopfschmerzen - trotz mehreren Schmerzmitteln. Anfänglich glaubte ich an eine Nachwirkung der Chemo ins Hirnwasser, was bekanntlich zu Kopfschmerzen führen kann. Oder aufgrund der neu diagnostizierten Diabetes, die noch immer nicht ganz richtig eingestellt ist. Oder vielleicht liegt es an einer allfälligen Nachwirkung der Grippeimpfung, die wir vorsorglich am Montag machten. Auch das wäre möglich.
Zusätzlich ist ihr immer wieder übel, manchmal heiss, dann wieder kalt. Gestern schon holte ich sie bereits nach der ersten Unterrichtslektion wieder ab. Die Kopfschmerzen waren dermassen intensiv, dass sie beinahe erbrechen musste.
Ihre früheren Klassenmädels meldeten sich, fragten nach, ob Malin mit ihnen an den Stanser Markt kommen möchte. Sie freute sich sehr darüber und eigentlich würde sie ja noch so gerne mitkommen! Aber wie? Auf den Beinen hält sie sich mehr schlecht als recht - mit den Krücken ist es auf die Dauer zu anstrengend, mit dem Rollstuhl möchte sie nicht. Noch dazu plagen sie diese elenden Kopfschmerzen und ausserdem: Jetzt kann sie auch nicht mehr spontan einen Zigerkrapfen, einen Apfelberliner oder Magenbrot essen ohne vorher Insulin spritzen zu müssen...
Irgendwie deprimierend. Sie blieb zu Hause, schlief viel und versuchte zwischendurch für den angesagten Geschichtstest zu lernen, was auch nicht gerade motivierte. Enya brachte vom Markt eine grosse Tüte voll Magenbrot nach Hause. Malin freute sich, wog ab, berechnete, spritzte das nötige Insulin und genoss dann wohlverdient eine üppige Portion.
Die Kopfschmerzen sind hartnäckig. Auch heute noch. Trotz Schmerzmitteln. Sie geht zur Schule, wahrscheinlich vor allem, um nicht noch mehr zu verpassen und den Geschichtstest schreiben zu können. Aber es geht nicht. Irgendwann am Morgen ruft sie an, ob ich sie abholen könnte. Wieder diese Übelkeit - ganz bleich, mit einem Schweissfilm auf der Stirn sitzt sie neben mir im Auto. Zu Hause legt sie sich hin, schläft sofort ein. Ich rufe im Kispi an. Der Onkologe stellt einige Fragen. Wo ist der Schmerz genau? Seit wann? Welche Schmerzmittel hat sie genommen? In welcher Dosierung? Irgendwann sagt er, in Anbetracht von Malins Vorgeschichte wäre ihm wohler, wenn wir vorbei kommen würden - um den Verdacht auf eine mögliche Thrombose ausschliessen zu können. Sicher ist sicher.
Da bei Malin seit Beginn der Therapie Gerinnungsstörungen erkennbar waren, wäre dies leider durchaus möglich, bei dieser Symptomatik. Wenn möglich, sollten wir sofort kommen. Sie würden eine Blutprobe machen und dann sehen, ob überhaupt ein MRI des Schädels nötig wäre.
Ich klebe Malin ein Emla auf den Port, packe alles nötige sowie ein z'Mittag ein und rufe Padi an. Er hat heute Nachmittag frei, wollte eigentlich allerhand erledigen, aber unsere Pläne werden durchkreuzt. Er fährt mit Malin ins Kispi, derweil ich mit Enya z'Mittag esse, dann gehen wir beide in die Schule. Bevor meine Schüler ins Zimmer kommen, rufe ich Padi im Kispi nochmals an. Sie seien jetzt auf dem Weg nach unten für ein MRI, sagt er. Der eine Wert der Blutentnahme sei erhöht gewesen...
Normalerweise gelingt es mir recht gut, mich auf die Schule zu fokussieren, es sind jeweils jene Stunden der Woche, die mich von allem etwas ablenken. Heute nicht. Ich bin nervös, beunruhigt, nicht richtig bei der Sache. Thrombose - nicht das auch noch!
Dann der erhoffte Anruf aus dem Spital. Entwarnung! Es ist keine Thrombose, sie dürfen wieder nach Hause! Ich bin einfach nur froh! Mir fällt gerade ein grosser Brocken vom Herzen...