Abflug

Barcelona - tönt gut, habe schon viel von der Stadt gehört, war aber selber noch nie dort. Und irgendwann meinten die Frauen ganz spontan: "Komm doch grad auch mit! Wir würden uns freuen!" 

Das war am 15. Juni - am Tag von Malins Tortenfest (aufgrund ihrer letzten intravenöser Chemo und der damit abgeschlossener Intensivchemotherapie) bei uns im Garten. In gemütlicher Runde erzählten die drei Frauen, sie hätten geplant, im Herbst für ein verlängertes Wochenende zu verreisen.

Barcelona - wollte ich schon immer mal hin - warum also nicht im Herbst? Bis dahin wird sich Malin soweit erholt haben von der Intensivchemo, dass sie wieder zur Schule gehen und - einmal abgesehen von der täglichen Einnahme der peroralen Chemo und den wöchentlichen Kontrollterminen - ein (fast) normales Leben führen kann. Denn gemäss Onkologe fängt ja der "Spaziergang" an - ganz im Gegensatz zu der letztendlich vierzehn Monate dauernden intravenösen Therapie. Nebenwirkungen sollten kaum mehr auftreten, alles sollte wesentlich einfacher sein...

 

Sollte.

Ihre Beine schmerzten immer mehr, mittlerweile ist sie fast ausschliesslich mit den Krücken unterwegs - oder mit dem Rollstuhl - und muss überall hin gefahren werden. Ausgeprägte Osteonekrosen. Vor zwei Wochen nun wurde anhand des MRIs festgestellt, auch die rechte Schulter ist von diesen Nekrosen betroffen. Nicht vergleichbar schlimm wie die beiden Knie, aber das Laufen mit den Krücken ist nicht gerade förderlich für ihre Schulter. Und jetzt, zu allem anderen noch dazu - die neueste Diagnose: Diabetes Typ 1.

Und so "rennen" wir seit Monaten von Termin zu Termin, von einem Arzt zum anderen aus all den verschiedenen medizinischen Fachbereichen...

Nein, es ist kein Spaziergang.

 

Obwohl das Abreisedatum immer näher kam, rückte Barcelona für mich immer weiter weg... Die einstige grosse Vorfreude verblasste immer mehr - ich kam nicht dagegen an.

Was nun? Absagen? Oder trotzdem gehen?

Genau! Denn gerade Malin wäre es gar nicht recht, wenn ich ihretwegen zu Hause bliebe. Ihr schlechtes Gewissen - obschon absolut grundlos - wäre vorprogrammiert. Dafür kenne ich sie zu gut.

Und ich weiss auch um ihre Gewissenhaftigkeit, weiss, sie hat das Berechnen und Spritzen des Insulins schon nach dieser kurzen Zeit erstaunlich gut im Griff. Die vielen Medis und die Chemo nimmt sie selbständig ein. Und zu guter Letzt weiss auch Padi gut Bescheid. Na also - das wird schon. 

 

Es ist morgens um vier. Alle schlafen noch tief und fest, ich werde schon bald abgeholt, trinke noch einen Kaffee. Der Koffer steht gepackt bereit. Bin aufgeregt - wie selten zuvor. Gefühlschaos. Malins Medikamente für die nächsten drei Tage sind alle gerichtet, alles nötige ist organisiert. Habe ich an alles gedacht?

 

Auf geht's, in wenigen Stunden werden wir bereits in Barcelona sein! Weit weg - in einer für mich zurzeit völlig anderen Welt.