voll daneben

Heute ist die zweitletzte Lumbalpunktion, das zweitletzte mal Chemo ins Hirnwasser und die letzte Zoladexspritze (jene, die mich optisch mehr an eine Stricknadel erinnert als an eine Spritze...)

 

Ich gehe schon mal vor, um das Auto vom Schnee zu befreien und die Scheiben zu kratzen. Joel fährt meistens mit dem Velo zur Schule, heute allerdings liegt ziemlich viel Schnee auf den Strassen. Da es zeitlich passt, nehmen wir ihn auch gleich mit nach Stans. Die hinteren Autoschiebetüren sind zugefroren, bewegen sich keinen Millimeter und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als durch den Kofferraum ins Autoinnere zu klettern. Mit seiner Körpergrösse von fast 1.90 m ein recht mühseliges Unterfangen - noch dazu am Morgen früh...

 

Auf der Fahrt ins Kispi bestaunen wir die schneebedeckte Landschaft ganz in weiss und finden beide: Das sieht einfach besonders zauberhaft aus!

 

Die Blutwerte sind allesamt gut, der Port wird angestochen und schon bald bekommen wir grünes Licht: Die Anästhesisten sind bereit, Malin kann nach unten in den OP-Raum gebracht werden. Heute verzichtet sie erstmals auf das Dormicum vor der Narkose. Sie will diesmal nicht (wie sonst immer) alles wieder vergessen, was sie sagt. Mit dem Bett wird sie zum Lift gerollt, nimmt zum ersten mal bewusst die geklebten Tierbilder an der Liftdecke wahr.

Als sie wieder nach oben gebracht wird, ist sie bereits wach und redet mit schwerer Zunge, sehr konzentriert und auffällig langsam. "Red ich normal?"

"Ja!"

"Ich gseh irgendwie dopplet…"

Sie hält angestrengt ihren Arm in die Luft. "Mi Arm isch sicher e Tonne schwär!" und lässt ihn wieder fallen. Die Onkologin gibt noch ein paar Infos und hält zum Verabschieden Malin die Hand hin. Malin reagiert prompt, streckt ebenfalls die Hand aus, greift jedoch ins Leere - voll daneben! "Ouu…" lacht sie.

Die Onkologin beruhigt sie: "Kein Problem, alles gut!"

Aber kaum ist sie aus dem Zimmer, kichert Malin: "Nei, sooo peinlich!"

"Gar nicht peinlich - das ist einfach noch die Narkose, die nachwirkt." Sie aber verdreht nur die Augen.

"Versuch noch ein bisschen zu schlafen."

Schliesslich muss sie noch zwei Stunden in Kopftieflage liegen bleiben. Schlafend geht die Zeit schneller um.

Aber ohne das Dormicum gelingt ihr das nur schlecht, also hört sie sich eine Folge der drei ??? auf dem Handy an. Immer wieder döst sie kurz ein, wacht wieder auf, döst wieder ein... Diese Geschichte wird sie mit Sicherheit nicht nacherzählen können - nicht vollständig jedenfalls.

 

Endlich Schnee! Enyas Lehrerin hat spontan entschieden, die Gunst der Stunde zu nutzen und mit der Klasse am Nachmittag am Hang direkt neben unserem Häuschen zu schlitteln. Wie recht sie hat, wer weiss, wie lange diesmal der Schnee hält. Enya freut's und schon von weitem sehen wir die Schüler wie bunte Tupfen im Schnee. Malin schaut ihnen eine Weile zu, bevor sie sich aufs Sofa legt und diesmal tief und fest einschläft.