Schneckenhaus

Gestern Abend wurde Malin von einer Freundin zum z'Nacht eingeladen. Im Restaurant mit allem drum und dran. Sie freute sich sehr darauf und ruhte sich den ganzen Tag aus, damit sie am Abend möglichst gut erholt und parat war. 

Bereits vorgängig machte sie sich so ihre Gedanken. Wie sollte sie das Essen berechnen? Alles abwägen? Oder einfachheitshalber schätzen? Schon zu Hause studierte sie im Internet die aktuelle Menükarte und entschied sich für eine Pizza Calzone. Wir diskutierten, wie diese zu berechnen wäre.

Sollte sie fragen, wie schwer der Pizzateig sei? Sie gibt sich die Antwort gleich selber: "Nei, weisch wie peinlich!"

Finde ich gar nicht.

Sie tat's dann tatsächlich, obwohl es sie einiges an Überwindung kostete. Aber das Servicepersonal stellte sich als äusserst zuvorkommend und sehr freundlich heraus und ohne viel Aufhebens wurde der Teig gewogen und auch beim Dessert schauten sie (ohne Aufforderung dazu) netterweise die Kohlenhydrate nach. 

Ein gelungener Abend trotz krächzender Stimme, noch leicht triefender Nase und gelegentlichem Husten. Eine willkommene Abwechslung, die ihr jetzt einfach gut tat.

 

Denn - es mag wohl auch daran liegen, dass sie seit Tagen alles andere als fit ist - in letzter Zeit rinnen häufiger die Tränen. Findet sie gar nicht cool. Aber sie rinnen trotzdem. Es sind Tränen des Frusts, der Traurigkeit, der Müdigkeit, der Ungewissheit. Das alles zehrt an ihren Kräften - lange schon.

Die Luft ist manchmal einfach draussen.

"Mängisch isch mier eifach alles z'viel…" Sie rollt sich in ihrem Bett in die Decken ein wie in ein Schneckenhaus.

Ich lege mich neben sie, lasse sie weinen, bin einfach da.

Es tut gut zu weinen - und sie hat allen Grund dazu. 

"Weisch, wenn diä Bei nid wärid, wär alles viel liechter..."

Sagt's und weint weiter.

Es wäre auch dann kein einfacher Weg, aber ja - sie könnte so vieles mehr wieder tun, was sie jetzt nicht kann. Die anderen in der Klasse sind unterwegs, fahren Ski und Snowboard, Velo, gehen schlitteln, machen Ausflüge, mal hier hin und mal da hin, verabreden sich spontan. Sie nicht. Nicht mehr. Eingeschränkt, ausgebremst, gestoppt.

 

Das tut wohl manchmal einfach weh, löst eben ihre Tränen aus und führt auch öfters zu kleinen Sticheleien uns gegenüber. Nicht weiter schlimm. Diese angestauten Gefühle, dieser Frust muss ja irgendwie raus und wir versuchen jeweils, darüber hinweg zu sehen. Bloss Enya, die kann gerade das (noch) nicht so gut, für sie ist es bisweilen zu schwierig zu verstehen. Sie reagiert immer prompt, oft sehr temperamentvoll. Und manchmal ist sie, ohne es zu wollen, unüberlegt direkt, fast schon verletzend. 

Sie steht auf einer komplett anderen Seite. Während Malin am Samstag noch geschwächt im Bett liegt, gewinnt Enya ihr Skirennen. Gegensätzlicher könnte es kaum sein. Damit umzugehen ist nicht immer einfach. Für beide nicht.

Und trotzdem schaffen sie es immer wieder, auf eine gute Art zueinander zu finden.

Das ist wichtig, das zählt. Das ist Familie.