was wäre wenn

Meine Cousine, eine langjährige erfahrene Pflegefachfrau, brachte es auf den Punkt. Sie schrieb mir: "Warum haben sie Malin am OP-Morgen nicht einfach eine Glucoselösung intravenös angehängt?"

Genau das wärs gewesen. Im Nachhinein absolut einleuchtend: Der Zucker wird auf diese Weise kontrolliert ins Blut abgegeben, der Magen bleibt leer und die Wartezeit ist nicht mehr relevant...

Mir als Laie fiel diese Möglichkeit nicht ein, den Fachkräften leider auch nicht. Die ganze Aufregung bezüglich tiefen Blutzuckerwerten, "gefülltem" Magen und unvorhersehbaren Wartezeiten hätten wir uns damit sparen können. Nun gut, wir buchen es unter "Glimpflich gelaufen - neues dazu gelernt" ab.

 

Für Joel und Enya hat der Schulalltag wieder gestartet. Malin blieb zu Hause. Ihre Knie sind noch ziemlich geschwollen und schmerzen. Alle zehn Nähte sehen aber soweit gut aus, die Hausärztin ist zufrieden. Auch die Blutwerte sind stabil, mit der Chemo wird wieder weiter gefahren. (Sie wurde letzte Woche aufgrund der Operation pausiert)

 

Heute erhalten wir ein Schreiben der Krankenkasse mit einer "Einladung", uns zusätzlich zu versichern. Bei einer allfälligen schweren Erkrankung eines Kindes würde der damit entstehende Lohnausfall der Eltern teilweise gedeckt. Bei einer Krebserkrankung zum Beispiel.

Macht Sinn, seit zwei Jahren habe ich mein Arbeitspensum auf ein Minimum reduziert, weil es ganz einfach nicht anders geht. Ein Lohnausfall beziehungsweise eine Reduktion ist in einer solchen Situation fast unausweichlich.

Nur, wie könnte es anders sein: Die Versicherung muss mindestens drei Monate VOR einer möglichen Diagnose abgeschlossen sein. Zu spät für uns. 

 

Aber seien wir ehrlich: Hätten wir eine solche Versicherung abgeschlossen? Mit dem Gedanken, eines unserer Kinder könnte eventuell irgendwann an Krebs erkranken?

Hätten wir nicht. Was-wäre-wenn-Fragen in einem solchen Ausmass - lässt man ungern an sich heran. Man verdrängt und ist unheimlich gut darin. Man kann, nein man will sich das gar nicht vorstellen. Man denkt, sowas passiert schon nicht. Sowas DARF gar nicht passieren - erst recht bei Kindern nicht!

 

Und dann kam er doch, dieser Tag, an dem alles bisherige auf den Kopf gestellt und so unerwartet anders wurde. Der Krebs hatte sich schlagartig und unmissverständlich in den Mittelpunkt unseres Lebens gezwängt.

Ohne Vorwarnung. Einfach so.

 

Trotz allem - wir glauben weiterhin daran, dass Malin gesund wird und Enya und Joel gesund bleiben. Wir schauen nach vorn. Es kommt gut.

Die Zuversicht. Sie ist zum Glück meistens da, aber nicht immer. Manchmal ist sie einfach auch weg für einen Moment.

Sie nicht zu verlieren ist etwas vom wichtigsten, und doch gibt es dafür keine Versicherung.

Einen solchen Vertrag hätten wir schon längst unterschrieben...