Und jetzt...?

….und jetzt? 

 

Die Chemotherapie ist beendet. Der Krebs ist weg - aus dem Weg geräumt.

Der Preis dafür ist hoch. Zurück bleiben Spuren der Verwüstung, die dieser harte Kampf hinterliess. Und diese "Verwüstung" in Malins Körper ist gross. Viel "Gift" brauchte es, um diesen fiesen Krebs zu eliminieren. Zytostatika, das nebst den Krebszellen auch die "guten" Zellen angegriffen hat. Überall sind körperliche Baustellen. Grosse Baustellen, die sie ihr Leben lang beschäftigen werden. Es sind schmerzhafte Folgen von diesem harten Weg und leider nicht mehr wegzudenken. Sie wurden zu einem Teil von ihr, gehören fortan zu ihrem Leben. 

 

….und jetzt?

 

Weitermachen, als wäre nichts gewesen? Geht nicht. Zu viel war. Zu viele Narben erinnern daran. Narben an den Beinen, am Bauch, am Hals - Narben im Herz. Und Lücken, die gefüllt werden müssen. Das Leben rund um Malin ging weiter - nur sie wurde zum Halten gezwungen. Eine unplanmässige Haltestelle, für lange Zeit! Die letzten beiden Jahre hat sich ihr Leben ausschliesslich um den Kampf gegen den Krebs gedreht. Der ist jetzt weg.

Nun gilt es, im Leben ausserhalb der Therapie wieder richtig Fuss zu fassen. Alles Geschehene zu verarbeiten. Rehabilitation. 

Das ist der nächste Weg, der nicht zu unterschätzen und genauso wichtig ist. Es braucht wohl seine Zeit, aber sie wird zurück in ein normales Leben finden, trotz einigen Einschränkungen und Narben. 

 

Arzttermine wird sie weiterhin haben - nicht wenige. Heute bereits war wieder Spitalmorgen mit EKG, Sonografie bei der Kardiologin sowie Blutkontrolle. Aber es gilt vorwärts zu schauen. Einordnen, aufbauen, sich erholen und neu orientieren. Ein Kapitel ist abgeschlossen. Der Weg "bärguif". Ein nächstes wird sich auftun. "Das Leben danach". So wie vorher wird es nicht mehr sein.

Auch zukünftig wird Malin noch einmal monatlich onkologisch kontrolliert. Nach einem Jahr werden die Kontrollen auf dreimonatlich reduziert. Zusätzlich fallen Termine bei Orthopäden, Diabetologe, Physio sowie die letzten Kontrollen in der Augenklinik an.  

Fünf Jahre nach Therapieende wird sie als geheilt gelten! Dann wird sie den obersten Gipfel erreicht haben und hoffentlich wieder locker und schmerzfrei mit beiden Beinen im Leben stehen.

Das wird im Jahr 2024 sein.

Malin stellt richtig fest: "De chan ich ja scho sälber mit dem Aito oder mit de Vespa i Spital fahrä…" 

Genau, das kann sie dann. Sie wird dann zwanzig sein. Ein schönes Alter - das Leben liegt noch vor ihr!

Und sie weiss um ihre Stärke - sie hat einen grossen Kampf im Hochrisiko erlebt - und überlebt!

 

In den letzten beiden Jahre habe ich viel geschrieben. So viel wie noch nie zuvor. Manchmal kam es mir vor, als würden die Finger von alleine über die Tasten springen, habe dabei einfach in Worte gefasst, was uns im Alltag bewegte - weit über 300 Einträge wurden daraus. Hochs und Tiefs, persönliche Einblicke in unseren Familienalltag, geprägt durch eine Krankheit, die sich so plötzlich und unerwartet mitten in unser Leben gedrängt hatte. Momentaufnahmen. Manchmal zum lachen, manchmal zum weinen. Erlebnisse (schöne und unschöne), Gedanken, Trauer, Hoffnung, Verzweiflung, Zuversicht, Angst, Humor, Mut, Enttäuschung, Sehnsucht, Wehmut, Wut, Tränen, Lachen, Strahlen, Dankbarkeit, Demut, Freude, Freunde, Liebe. 

 

Viele waren uns dankbar dafür, einfach lesen zu dürfen und nicht fragen zu müssen. Denn vielen fehlten die Worte dazu. Das verstehen wir.

Viele haben mit uns gehofft, gelacht, geweint, haben uns in Gedanken mitgetragen. Und immer wieder bekamen wir auf Einträge hin Briefe, Karten, und Rückmeldungen aller Art, die uns wieder auf die Beine halfen, wenn es nötig war, die uns trösteten und bestärkten weiter zu gehen oder uns einfach für einen Moment erfreuten.

Damit habt ihr alle Malins Weg "bärguif" etwas ausgeleuchtet. Das half, tat so gut.

Dafür danken wir!

 

Nun wird es Zeit, uns "abzumelden". Einige Einträge und Geschichten fehlen noch. Die möchte ich noch irgendwann nachliefern. Mit dem Schreiben ganz aufhören, werde ich kaum. Längere Schreibpausen werden es wohl aber sein.

Gelegentlich werde ich berichten, wie es Malin geht oder über die eine oder andere Geschichte, die sie und wir als Familie erleben. 

Auch wie es sich bezüglich ihrer Beine weiter entwickelt, wie sie hoffentlich Fortschritte machen darf. Die Operation in Stuttgart hat bisher leider keine spürbare Besserung gebracht. Die Einschränkungen beim Gehen sowie die damit verbundenen Schmerzen sind nach wie vor gross und im Moment scheint noch unklar, wie es weiter gehen soll. 

 

Letzten Freitag bei der Integrativmedizinerin rückte Malin mit ihrem grossen Wunsch heraus: "Ich wett wieder uf meym Snowboard stah und dur dä Tiefschnee gleitä…!"

Und dann sagte sie noch, sie sei im Moment nicht mehr ganz so traurig - sondern werde eher langsam wütend!

Die Ärztin freute sich lautstark darüber, ja sie jubelte schon fast, entschuldigte sich aber sogleich dafür, als sie unsere erstaunten Gesichter sah. 

"Du darfst mich nicht missverstehen...! Es ist durchaus positiv, dass du aus deiner Trauer herausfindest, auch wenn du dabei wütend wirst! 

Und dein Ziel mit dem Snowboarden - das ist grossartig! Ziele muss man haben! Das bringt einen weiter!"

 

Das Therapieende - der grösste Gipfel - ist erreicht, darüber sind wir einfach nur froh! Es ist ein ganz besonderes, unbeschreibliches Gefühl von Glück. Ganz vorbei ist es aber (noch) nicht, der Weg führt weiter. Diesmal jedoch ohne Chemo und ganz bestimmt nicht mehr so stotzig "bärguif" wie bisher. Malin wird die Möglichkeit haben sich auszuruhen, nötige Pausen zu machen und kann den Blick in die Ferne schweifen lassen - ohne dabei ihr Ziel aus den Augen zu verlieren: Irgendwann wieder auf ihrem Snowboard zu stehen und den Hang herunter zu sausen...

Wir sind uns sicher - sie wird auch das schaffen.

Wir helfen ihr nach Kräften dabei.