Unsere einstiges Vorhaben, im Sommer 2019, nach Malins abgeschlossener Chemotherapie, eine grössere und mehrwöchige Reise irgendwohin zu machen, haben wir vorübergehend auf Eis gelegt/ legen müssen. Denn Malins schmerzenden Beine sind unverändert und schränken sie zurzeit einfach zu sehr ein. So macht es keinen Sinn. Die Operation an den Beinen hat leider nicht das Erhoffte gebracht. sie kann wohl gehen, aber stets begleitet mit einem Dauerschmerz, trotz täglich hoher Dosis an Schmerzmitteln.
Zurzeit warten wir ab. Damit sich ihr Körper weiterhin möglichst gut erholen und regenerieren kann. Kein Arzt und kein Orthopäde kann uns eine genauere Prognose abgeben. Jedenfalls keine, die wir hören mögen. "Prothesen" zum Beispiel. Ich weigere mich, an so etwas nur zu denken. Im Gegenteil. Noch immer hoffen wir auf ein kleines Wunder: Nämlich dass auf irgendeine Art und Weise diese Knochen wieder belebt würden. Egal wie.
Nun aber geht es erstmal in die Ferien für 10 Tage. Alle drei Kids fanden, sie möchten wieder einmal ans Meer. Wärme, Strand, Wasser, Muscheln suchen, schwimmen, tauchen, vielleicht surfen, Krebse fangen... Am Meer waren wir schon lange nicht mehr - das letzte mal vor einigen Jahren im Herbst in der Toscana, um nochmals Sonne aufzutanken, bevor der Winter in gewohnter Frische Einzug hielt.
Meer in der Hochsaison, definitiv eine Premiere. Vor meinem inneren Auge sehe ich schon in glühender Hitze furchtbar überfüllte Strände mit reihenweise Füdli an Füdli auf neu erworbenen Strandtüchern. Keine so schöne Vorstellung, ich behalte sie für mich. Sage nichts, wohlwissend, dass Padi wohl ähnliche Befürchtungen hat. Auch er sagt nichts.
Ich bin angespannt, denn wir fliegen, sind aber alles andere als routiniert darin. Für uns eine Herausforderung, zumal Malins Koffer bis zur Hälfte mit Medikamenten, Spritzen, Ersatzampullen im Kühlbeutel etc. gefüllt ist. Wir haben vorgängig die Fluggesellschaft über Rollstuhl und Medikamente informiert und zusätzlich alle mitgeführten Medikamente von der Apothekerin schriftlich auflisten und bestätigen lassen.
Alles läuft soweit nach Plan - bis wir in Spanien ankommen. Ab da kostet es viele Nerven und noch mehr Zeit - wäre aber fast schon wieder filmreif...
Malins neuer Rollstuhl, der "Turbo", ist weg. Auf dem spanischen Flughafen wie vom Erdboden verschluckt, nicht mehr auffindbar. Nach etlichen Telefonaten mit spanischem Temperament und langer Warterei kommt er dann doch wieder zum Vorschein! Glück gehabt!
Beim Autoverleih wartet bereits die nächste Überraschung auf uns: Irrtümlicherweise wurde ein MINI für uns reserviert! Ein MINI(!) - für vier Erwachsene, ein (grosses) Kind, Gepäck und Rollstuhl.... Nicht nur wir sondern auch der zuständige junge Herr am Schalter macht ein langes Gesicht, schaut etwas ungläubig in die Runde, regelt dann aber das Missverständnis souverän. Wenn wir nicht einfach alle zu müde wären, hätten wir wohl einen Lachkrampf gekriegt ob dieser schrägen Situation...
Unser "neues" Auto ist zwar schneller aber nicht wirklich wahnsinnig viel grösser. Nie hätte ich gedacht, dass wir all unser Zeug in diesen engen Kofferraum kriegen werden! Aber da zeigt sich Padis millimetergenaues Packgeschick - eine Geduldsprobe, aber es funktioniert - Tetris lässt grüssen...
Bezüglich Hochsaison haben wir uns letztlich beide getäuscht. Die Temperaturen sind angenehme 28-30 Grad warm (sogar einige Grad kühler als momentan in der Schweiz, die unter einer Hitzewelle ächzt) und wir finden einen Strand, der mit dem Auto gut erreichbar ist. Der Parkplatz ist ganz in der Nähe eines Schattenplätzchens am Strand und somit für Malin noch gut zu Fuss mit Hilfe der Krücken erreichbar. Noch dazu hat es nicht annähernd so viele Leute wie befürchtet.
Der ursprüngliche Gedanke, das Meerwasser könnte Malins Beinen gut tun, stellt sich allerdings als trügerisch heraus. Die feinen Strömungen im Wasser und die Wellen lösen sogar grössere Schmerzen aus, die sie noch bis tief in die Nacht hinein plagen.
Was nun? Im Laden ganz in der Nähe werden wir fündig: Ein aufblasbarer Reifen. So kann sie sich hineinsetzen, mit den Armen paddeln und gleichzeitig werden damit ihre Beine stabilisiert. Ein Versuch ist es wert und tatsächlich lindert es ihre Schmerzen.
Drei Teenager. Alle drei eben erst komplett übermüdet vom Pfadilager heimgekehrt (Malin machte ebenfalls einen zweitägigen Lagerbesuch) und noch völlig im Pfadilagermodus (der irgendwie nicht mit dem "Familienmodus" kompatibel scheint).
Da haben wir sie nun: Einen müden Unmotivierten, eine Handicapierte und eine Hyperaktive... Man bringe diese drei auf einen gemeinsamen Nenner, der für alle passt. Ziemlich schwierig.
Die ersten Tage versuche ich schier krampfhaft, mögliche Programmideen zu liefern und (ziemlich vergeblich) für gute Stimmung zu sorgen. Ich komme mir dabei schon fast vor wie eine dieser Animatorinnen vom Feriendorf. Aber im Gegensatz zu ihnen gelingt es mir nicht wirklich. Und so gebe ich schon bald resigniert und enttäuscht auf, woraufhin die Kids dann doch etwas Erbarmen zeigen: Fortan reissen sie sich zusammen.
Alle schrauben wir unsere einstigen Erwartungen (an die vielleicht letzten gemeinsamen Familienferien) zurück, und siehe da - nun geht's.
Wir baden, spielen etliche Dog-Partien, essen im Nachbarstädtli feine Tapas, machen eine Schifffahrt auf dem Meer und sehen dabei ganz viele Delfine. Oft füllen wir auch alle gemeinsam nach Lust und Laune unseren Einkaufswagen mit allerlei einheimischen Leckereien und kreieren dann zusammen in der Küche köstliche spanisch-regionale Vor- Hauptspeisen und Desserts.
Die Stimmung hebt sich, die allgemeine Zufriedenheit auch. Und so gibt es zwar weder kulturelle Höhepunkte noch viel sportliche Action, dafür aber erholsame Tage am Meer.
Und manchmal denken wir dabei an die Sommerferien der letzten beiden Jahre zurück, die wir grösstenteils isoliert im engen spartanischen Spitalzimmer verbrachten. Bei schönstem Wetter. Umso mehr geniessen wir diesen Weitblick übers Meer und die warmen Sonnenstrahlen - und ganz besonders dankbar sind wir, zu fünft hier sein zu dürfen!