Kurz vor Ostern war es, als Malin wieder mit Insulin korrigieren musste - das heisst sämtliche Kohlenhydrate abwägen, berechnen und entsprechende Einheiten spritzen. Es war ein frustrierender Rückschlag, zumal sie für einige Wochen kaum korrigieren musste, obwohl sie ganz normal gegessen hatte. Eine willkommene, wunderbare Zeit, hatte sie doch einfach ein bisschen Normalität zurückgewonnen. Honeymoon nennt man diese Phase, eine letzte Pause, bevor der Diabetikeralltag zur Norm wird.
Einige Wochen später dann schlug ihre Blutzuckerkurve wieder regelmässig nach unten aus und sie fiel immer wieder (unvorhersehbar) in ein Hypo. Traubenzucker und Cola blieben stets griffbereit. Wir begannen, die Insulineinheiten kontinuierlich zu senken. Das Ungewöhnliche war, dass ihr Blutzuckerspiegel nach dem Essen unverhältnismässig stark anstieg, sie aber nach entsprechender Korrektur trotzdem immer unterzuckert war.
Auf die Dauer war das ziemlich stressig und so reduzierte sie weiter und liess irgendwann das schnellwirksame Insulin "Novorapid" ganz weg. Trotzdem hat es Malins Körper ausnahmslos geschafft, rund eine Stunde nach den Mahlzeiten den Blutzuckerspiegel wieder in den normalen Bereich zu senken. Fortan spritzte sie nur noch das Langzeitinsulin jeweils morgens und abends. Aber auch da fiel sie in der Nacht regelmässig in ein Hypo, woraufhin wir auch das Levemir zu reduzieren begannen.
Und schliesslich, vor drei Wochen etwa, waren wir bei "Null" - keine einzige Einheit Insulin seither...
Wir sitzen im Sprechzimmer des Endokrinologen (mit den vielen Kinderzeichnungen an sämtlichen Wänden) und sind gespannt, was er uns dazu sagen kann. Wie ist das erklärbar? Funktioniert Malins Bauchspeicheldrüse nun doch plötzlich wieder?
"Ich möchte ja keine falschen Hoffnungen wecken, aber so wie es aussieht, hat sich deine Bauchspeicheldrüse doch etwas erholen und eine Restfunktion erhalten können...!"
Ein erneuter Honeymoon sei nicht ganz auszuschliessen, sagt er, aber doch eher unwahrscheinlich, denn normalerweise müsse man auch während dieser Zeit reduziert mit Insulin korrigieren.
Ein gewöhnlicher Verlauf sei dies allerdings nicht, meinte er. Er schaut sich die Messungen der letzten Monate an. Die Blutzuckerkurve zeigt nach jeder Mahlzeit deutliche Ausreisser nach oben an. Viel zu hoch, aber bereits nach einer Stunde ist die Kurve wieder im Normbereich - und dies ohne zusätzliches Insulin!
"Wenn das so ist, brauchst du erst in einem halben Jahr wieder zur Kontrolle zu kommen." Und sie müsse auch nicht mehr nach jeder Mahlzeit messen, einfach zwischendurch mal einen Blick auf die Kurve werfen...
Ein ungewöhnlicher Verlauf - haben wir schon oft gehört - aber dieses mal zur Abwechslung tatsächlich in eine positive Richtung! Es ist fast wie ein kleines "Wunder" und macht im Alltag so einiges einfacher. Dankbar hoffen wir nun auf möglichst viele weitere insulinfreie Tage, Wochen, vielleicht sogar Jahre...