Meine Stimmung ist - na ja - nicht gerade auf Höchststufe. Fühle mich wie ein ausgedrückter Schwamm. Mühevoll versuche ich, die dunklen, geschwollenen Augenringe einigermassen zu kaschieren. Gelingt nicht, sieht fast noch schlimmer aus, auch egal.
In der Schule bin ich nicht ganz bei der Sache. Schaue zwischendurch mal aufs Handy, was ich sonst wirklich nicht tue und erschrecke:
Sieben Anrufe in Abwesenheit und eine ganze Reihe heulender und schmerzverzerrt dreinschauender Emojis, allesamt von Malin. Du meine Güte! Was ist denn da los?
Ich versuche sie zu erreichen - geht nicht. Werde unruhig. Sie schreibt. Sie hatte eine schlimme Nacht, wieder einmal diese heftigen Bauchkrämpfe und wusste nicht was tun.... und wohin gehen... und überhaupt kennt sie sich doch hier gar nicht aus...
Jetzt geht es ihr besser, schreibt sie. Sie versucht dann am Abend, uns anzurufen, per Videoanruf.
Endlich klappt es und wir sehen ihr Gesicht. Verschwommen zwar, aber immerhin.
Doch, es ginge ihr besser, meint sie und lächelt uns über den Bildschirm unscharf an.
Wie schön, sie zu sehen! Sie erzählt von ihrer schlaflosen Nacht mit den wieder einmal plötzlich auftretenden schmerzhaften Krämpfen, wie sie versucht hat, den Schmerz mental in den Griff zu kriegen, eine andere Möglichkeit blieb ihr nicht.
Und dann erzählt sie von ihrem ersten Tag. Sie hätten heute einen Ausflug ins Dorf gemacht, zu dritt waren sie mit dem Rollstuhl unterwegs, drei andere hätten sie unterstützend geschoben. In der Schule war sie auch schon eingeteilt (trotz Ferien...) und einige ärztliche Kontrollen hat sie ebenfalls schon hinter sich. Alle in ihrer Gruppe seien sehr nett!
Sie macht einen müden, aber aufgestellten Eindruck.
Enya macht derweil Faxen vor dem Bildschirm, bringt damit Malin zum Lachen und redet dazu wie ein Wasserfall. "Wie sind sie dort so? Sind die richtig nett? Redest du hochdeutsch mit ihnen? Verstehen sie dich? Wie sieht dein Zimmer aus? Ist es schön...?
Und irgendwann erzählt sie brühwarm: "Und weisst du was, Malin? Mami hat gestern den ganzen Abend lang geweint...!"
"Echt...?" fragt Malin und schaut mich fragend an.
"Na ja,..."
"Doch, sie hat im Fall! Und schau, sie fängt glaub schon wieder an..."
Tatsächlich muss ich mich zusammenreissen, aber diesmal vor lauter Erleichterung, dass es ihr wieder besser geht und sie sich wohl zu fühlen scheint.
Malin grinst mich aufmunternd an. Dass ich ihretwegen so aufgewühlt bin, tut ihr anscheinend gar nicht mal so schlecht.
Es ist schön, sie so zu sehen und dieses bedrückende Gefühl fällt auf einmal ab, löst sich auf. Jetzt bin ich sicher, sie ist am richtigen Ort...