Neuer Alltag

Wir haben ihn wieder - den Alltag. Ein neuer Alltag zwar, aber immerhin. Für lange Zeit war der Weg zur Gesundung im Mittelpunkt und so vieles andere geriet irgendwo in den Hintergrund. Man hat seinen Blick fokussieren und Prioritäten setzen müssen. Die Kräfte wurden gebündelt und eingeteilt, vieles ausgeblendet. Anders ging es nicht.

Unser Alltag ist noch immer geprägt von Malins Geschichte. Um ihr Leben müssen wir uns nicht mehr fürchten. Sie geht täglich in die Schule und es würde ihr niemand ansehen, dass sie vor noch nicht langer Zeit um ihr Leben gekämpft hat! Sie hat wieder ihre Ausstrahlung, ihr volles Haar fällt lockig auf ihre Schultern und die vielen Narben sind blasser geworden. Ein (fast) ganz normales Teenagermädchen. Nur die Stöcke und der Rollstuhl erinnern daran, dass irgendwas nicht so ist, wie es eigentlich sein sollte.

Der letzte Bericht der Orthopädie über ihre Beine fällt leider nicht positiv aus. Das Bild hat sich in den letzten Monaten kaum verändert, die Operation in Stuttgart schien die Wirkung verfehlt zu haben. Ein Versuch war es wert. Malins andauernden Schmerzen sind nicht weniger - trotz täglich hoch dosierten Schmerzmitteln. Im Gegenteil, manchmal treten ganz plötzlich diese akuten starken Schmerzen auf, wobei sie ihr Bein keinen Millimeter mehr bewegen kann, bis sich diese Blockade wieder langsam löst. Dieser neuerliche Umstand liess uns schon erahnen, wie der Bericht ausfallen könnte - die schriftliche Bestätigung Anfang Dezember zerschlug dann definitiv unsere Hoffnung auf Besserung.

 

Malin hat schon so viel Schlimmes durchgestanden, sie trägt diese zusätzliche Bürde gefasst, in ihrer gewohnt stoischen Gelassenheit - ganz so, wie sie es bisher immer tat.

Einfach so.

Einfach bewundernswert.

Nur manchmal merkt man ihr an, sie hat die Nase voll von all dem. Und manchmal, da fühlt sie sich ausgegrenzt, weil sie vieles einfach nicht mitmachen kann, vielerorts nicht mitgehen kann. Die Schmerzen hindern sie daran. Nur schon ihren Schulweg wieder mit Bus oder Velo allein - von uns unabhängig - fahren können. Geht nicht. Die Schule liegt auf einer Anhöhe, zu anstrengend und weit der Weg mit noch einem schweren Rucksack voller Bücher und Hefte am Rücken. Also fahre ich sie täglich in die Schule, hole sie mittags wieder ab, bringe sie am Nachmittag wieder hin, hole sie wieder ab... die Woche ist ziemlich durchgetaktet, nach Schulstundenplan und mit zusätzlichen Terminen bei Physio und Fachärzten.

Und da ist diese Ungewissheit, die nagt.... Was kann man überhaupt gegen diese starken Nekrosen tun? Kein Arzt wusste bisher eine Lösung, von einem Spezialisten zum anderen wurde sie geschickt, ohne Erfolg. Das führt zu einem unguten Gefühl. Man hängt irgendwo in der Luft, den festen Boden unter den Füssen weder sicht- noch spürbar...

 

Aber trotz allem - sie lebt! Und wir haben wieder einen gemeinsamen Alltag und sind dankbar dafür!

So wie früher ist er freilich nicht. Kann er auch gar nicht und wird er wohl auch nie mehr sein. In vielerlei Hinsicht. So eine Geschichte prägt - und zwar alle. 

Aber wir sind wieder unterwegs. Wie Gipfelstürmer. Sinnbildlich jedenfalls.

 

Für Malin wünschen wir, dass irgendwo irgendwer eine Möglichkeit sieht, wie man ihr weiter helfen könnte.

Damit sie ihren Gipfel möglichst schmerzfrei und eigenständig weiter "stürmen" darf...