Tia, war nichts mit der erhofften "Ein-Person-Kurzversion". Enya erwischte es auch gleich nochmals mit hohem Fieber und einer Ohrentzündung. Sie allerdings (mit ihrem sonst gestärkten Immunsystem) war nach ein paar Tagen wieder auf den Beinen.
Nicht so Malin. Sie liegt nun schon fast zwei Wochen im Bett mit immer wiederkehrenden Halsschmerzen und Husten. Und jetzt mit dieser ganzen Corona-Virus-Geschichte bleibt sie vorsichtshalber erst recht zu Hause, bis sie wirklich ganz gesund ist.
"Muesch einisch losä," sagt Malin und hält mir ihr Handy hin. Sie hat eine Sprachnachricht der Integrativärztin erhalten:
Sie hätte sich Gedanken gemacht, weil Malin einmal mehr an einem Virus erkrankt sei und dies bereits das dritte mal innerhalb kurzer Zeit. Sie habe festgestellt, dass Malin auf gewisse Nahrungsmittel sehr stark reagiere. Sie wolle ihr nichts aufdrängen, aber ihr sehr nahe legen, die Ernährung für vier Monate komplett umzustellen. Konkret hiesse das:
- Keine Eier und Eiprodukte
- Keine Milch- und Milchprodukte
- Kein Zucker (ausgenommen Früchte)
- möglichst wenig Gluten
Dazu jeden Morgen auf nüchternen Magen ein 5dl Glas Stangenselleriesaft, frisch entsaftet. Und möglichst täglich wilde Heidelbeeren.
Es sei eine Möglichkeit, die Viren auf diese Weise in Schach zu halten, weil man ihnen quasi ihre Nahrung entzieht. Ansonsten könne es durchaus sein, dass Malin auch in Zukunft immer wieder von solchen Virengeschichten geplagt würde.
Sie solle sich das in aller Ruhe gut überlegen.
Bestürzt schauen wir uns an.
Das ist heftig.
Was isst man denn da überhaupt noch? Die vegane Ernährung ist ja schon sehr einschränkend, aber dazu noch kaum Gluten und gar kein Zucker? (Der ist ja überall drin...!) Und jeden Morgen einen halben Liter Selleriesaft auf nüchternen Magen...? Es gäbe weiss Gott Angenehmeres!
Vier Monate erscheint mir grad wie eine halbe Ewigkeit...
In meinem Kopf rattert es bereits - was koche ich denn da bloss - was auch allen schmeckt?
Die Begründung der Ärztin klingt allerdings durchaus einleuchtend.
Wir lassen die Nachricht erstmal setzen.
Entscheiden muss letztlich Malin. Zwingen können und wollen wir sie nicht. Ich biete ihr an, alle koch- und ernährungstechnischen Hebel in Gang zu setzen, um unseren täglichen Speiseplan auf diese Weise umzukrempeln. Ausserdem würde ich mit ihr solidarisch mitziehen. Das volle Programm. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt man. Zu zweit ist es einfacher zu verzichten und man kann auch mal zusammen jammern, wenn's denn nötig sein sollte.
Malins Halsschmerzen werden wieder stärker und man sieht es dem Rachen an, dass der sicher ziemlich weh tun muss - sieht nicht gut aus. Sie leidet, kann einmal mehr kaum noch schlucken. Dies ist wahrscheinlich genau der Zeitpunkt...
Tatsächlich, sie entscheidet sich dafür, möchte es versuchen mit der Ernährungsumstellung. Was sind schon vier Monate...? Vielleicht hilft's? Und wenn nicht, schadet es ganz sicher auch nicht.
Wir informieren den Rest der Familie und diskutieren, wie wir diese neue Herausforderung angehen können. Joel und Enya werden flexibel mitmachen, das heisst, nicht ganz so strikt. Sie essen auch mal was mit Milch, Ei oder Zucker und den Selleriesaft lassen sie kommentarlos weg. Padi versucht, mit einigen wenigen Ausnahmen mitzumachen. Enya macht sich sogleich interessiert daran, Deklarationen an verschiedenen Verpackungen zu studieren und ist erstaunt, dass auch im Senf Zucker und Eiweiss drin sind.
Senf fällt also auch weg. Und die Liste an Nahrungsmittel mit "fällt weg" wird immer länger, schier beängstigend lang.
Wahnsinn, wo es überall Ei, Zucker und Milch (in allen Formen und mit allerlei irreführenden Bezeichnungen) drin hat!
Aller Anfang ist schwer. Im Moment ist alles noch sehr aufwändig und mühevoll. Das fängt beim Einkaufen (und studieren der Deklarationen) an und hört beim Kochen auf. Alles dauert viel länger. Es ist unbestritten eine besondere Herausforderung. Einkaufen und Kochen ist das eine, weitaus mehr beschäftigt mich der soziale Aspekt. Wie machen wir das bei Einladungen, in der Mensa, auf Ausflügen, beim Auswärtsessen? Oder beim Backen und Kochen mit Freundinnen? Klar findet man Rezepte und Gerichte ohne Eier, Zucker, Milchprodukte, Gluten, aber die Auswahl ist wesentlich kleiner, man ist klar eingeschränkt. Flexibilität und Kreativität sind nun gefragt, in jeglicher Hinsicht.
Wir machen das Beste daraus und hoffen, die radikale Umstellung wird sich positiv auf Malins Gesundheit auswirken. Ein Versuch ist es wert.
Die Ärztin freut sich über Malins Entscheid und sagt aufmunternd zu mir: "Vielleicht können Sie diese Umstellung nicht nur als Verzicht ansehen, sondern vielmehr als neue Chance in eine neue Richtung."
Sie mag Recht haben. Wir werden sehen.