Malin sitzt auf dem Barhocker in der Küche und kramt in ihrer Tasche.
"Lueg, han ich hüt us de Bibliothek mitgno." Sie hält ein Buch in die Luft damit ich den Titel lesen kann.
"DER TOD KANN MICH MAL!" steht in Grossbuchstaben auf dem Umband. Und gleich darunter: "12 schwer kranke Jugendliche erzählen ihre Geschichten. Für eine neue Sicht auf das Leben."
Es überrascht mich nicht mehr. Habe mich schon daran gewöhnt. Joel aber kann sich ein entgeistertes "Wieso tust du dir das nur an?" nicht verkneifen.
"Du schaust auch immerzu solche Filme mit Kranken die wegsterben....!"
Er hat Recht.
Meistens geht es um Krebs. Meistens um Jugendliche, die Krebs haben.
Und oft sterben sie.
Seit ihrer Diagnose hat Malin schon etliche solcher Filme geschaut. Wie ein Magnet scheinen sie sie anzuziehen. Noch immer. Und trotz allem.
"Vielleicht hilfts mier, das Ganze z'verarbeite?" meint sie nur trocken.
Wird wohl so sein. Oft schaue ich mit ihr mit - und es trifft mich jedes Mal. Erwischt mich eiskalt. Sämtliche Emotionen kommen hoch. Und dann sitzen wir vor dem Bildschirm und heulen Rotz und Wasser. Beide. Eben doch Verarbeitung - auf ihre Weise.
Malin beginnt, eine Passage aus dem Buch vorzulesen. Ich stutze - es könnte genauso gut ihre Geschichte sein. Passt fast haargenau. Das Alter des Mädchens, die Krebsdiagnose im Hochrisiko bis hin zur Krankengeschichte mit all den üblen Nebenwirkungen. Die langen Spitalaufenthalte und die unfreiwillige Repetition des Schuljahres mit dem damit verbundenen Wechsel in eine neue Klasse.
So viele Parallelen...
Einige lose, herausgepickte Sätze aus dem Text:
"... Die Situation ist komplett irre: Ein Gift läuft durch deine Venen, das dich gesund machen soll...
...Jeder hat andere Nebenwirkungen, aber kotzen mussten wir alle...
...Liebeskummer, Zoff mit den Eltern, eine schlechte Note in Mathe - ehrlich, solche Probleme hätte ich mir oft gewünscht...
...Ich bin glücklich. Weil ich lebe...
...Ich weiss, worum es im Leben geht. Klar gibt es auch andere Wege, das zu lernen. Ich bekam es eben auf die harte Tour mit.
...Was mir aber fehlt, ist eine richtige Jugend...
...Ich lag lange Zeit im Krankenhaus und hatte genug Zeit, alles fein säuberlich zu zerdenken...
...Dafür schätze ich die kleinen Dinge im Leben mehr....
...Es gibt für nichts eine Garantie. Nur für das Glück, das du in dir hast. Denn dafür bist nur du allein verantwortlich."