Ich biege ab Richtung Bahnhof, sehe wie sie neben ihren Klassengirls in ihrem "Turbo" sitzt und wartet. Wir laden den Rollstuhl ins Auto ein.
"Und?" frage ich sie auf dem Heimweg. "Wie war's?"
Sie schweigt. Sieht müde aus.
"Hat alles geklappt?"
"Ja", sagt sie nur. Das muss wohl für den Moment genügen.
"Bi so müed, mag eigentlich nümmä vorspielä..."
Sie hatte Klassentag, war den ganzen Tag unterwegs in Bern. Und jetzt - kaum zu Hause - muss sie sich bereits wieder parat machen für ihr Vorspiel auf dem Klavier. Abschlusskonzert im kleinen, pandemie-angepassten Rahmen.
Wir freuen uns darauf - sie nicht wirklich.
Ging mir früher genauso. Ausserdem war ich immer furchtbar nervös und bekam schwitzige Hände. Sehr unpraktisch.
Kann ihr also sehr gut nachfühlen, wie es grad jetzt um sie steht.
Die Klavierlehrerin erzählt kurz über Komponisten und ausgewählte Stücke. Währenddessen bewegt Malin neben mir ihre Finger auf den Notenblättern, als hätte sie Klaviertasten vor sich. Sie ist nervös. Gestern Abend, beim letzten Üben, hatte sie mehrmals die falsche Taste erwischt und dann Mühe, wieder ins Stück zurück zu finden.
Heute wird's schon werden!
Sie wird aufgerufen, läuft nach vorn und beginnt ihr fünfseitiges Stück von Ludovico Einaudi, "Nefeli".
Gebannt höre ich zu. Fast fehlerlos und mit viel Gefühl spielt sie sich durch das Stück.
Sehe ihr zu, wie sie dort vorne sitzt und spielt, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Bin tief gerührt - und einfach nur dankbar. Aus tiefstem Herzen dankbar, diesen Moment erleben zu dürfen.
Könnte grad die Welt umarmen.
Der letzte Ton verklingt, sie steht auf, verneigt sich, das Publikum applaudiert. Mit einem Lächeln im Gesicht läuft sie zu uns, die Erleichterung ist ihr anzusehen.
Die Müdigkeit scheint wie weggepustet. Jetzt redet sie. Über ihren tollen und erlebnisreichen Tag in Bern und wie die anderen in der Klasse sie stets unterstützt hätten.
"Ihre" Mädchen organisierten sich sogar vorgängig, erzählt sie dankbar. Eine erklärte sich dafür zuständig, beim Umsteigen den "Turbo" jeweils in und aus dem Zug zu schleppen und zu deponieren, die nächste übernahm Malins Gepäck und die dritte half ihr beim Ein- und Aussteigen und beim Schieben. Alles klappte bestens.
Vor allem dank ihren hilfsbereiten, tatkräftigen Klassengirls!