volljährig

Ein Abstimmungscouvert mehr liegt auf dem Poststapel. An Malin adressiert. Verrückt wie die Zeit rennt - nun haben wir schon zwei erwachsene Kinder!

Joel ist mittlerweile zwanzig, hat nach einem knappen Jahr Militärdienst (Durchdiener) im Herbst mit seinem Studium in Zürich begonnen. Er hat seinen Weg eingeschlagen und wir sind wahnsinnig stolz auf ihn.

 

Seit drei Wochen ist nun auch Malin volljährig. Achtzehn. 

Jetzt kann sie abstimmen, Entscheide fällen, Dokumente und Verträge unterschreiben. Hat Rechte und Pflichten wie man so schön sagt. Muss vermehrt Verantwortung übernehmen. Und - über medizinische Fragen selber (mit)entscheiden. Dass sie dies so bald schon tun muss, hätten wir allerdings nicht erwartet.

 

Sie meldet sich in der Notaufnahme im UKBB an. Der Herr hinter der Plexiglasscheibe schaut auf ihre Versicherungskarte, dann auf Malin, um schliesslich freundlich zu sagen: "Das ist hier das Kinderspital, sind Sie sicher, dass Sie hier bei uns richtig sind?"

"Ja, wir sind bereits bei der Orthopädie angemeldet," erklären wir, während er sich wieder auf seinen Bildschirm konzentriert, um Malins Namen zu finden.

"Ich bi scho hie in Behandlig gsi," ergänzt sie.

"Genau, Sie haben Recht."

Er streckt ihr die Anmeldeformulare hin, weist dabei auf ein markiertes Feld.

"Diese müssten Sie noch hier unterschreiben."

Bisher mussten wir Eltern, als rechtliche Vertreter, jeweils all diese Papiere (und es waren viele!) unterschreiben. Jetzt ist sie volljährig und übernimmt selber die Verantwortung.

Schon eine irgendwie eigenartige Situation, wohl für uns beide, aber es fühlt sich durchaus gut an. Was man ihr optisch schon länger ansieht, ist sie nun auch offiziell auf dem Papier:

Unsere Tochter ist erwachsen geworden.

 

"Warten Sie dort bei der grünen Banksitzgruppe, Sie werden dann abgeholt," sagt er und weist uns in eine Richtung.

Ausgesprochen freundlich sind hier alle, fällt uns beiden auf. Wir werden in ein Zimmer geführt. In regelmässigen Abständen streckt die Pflegefachfrau den Kopf zur Tür herein.

"Alles in Ordnung bei Ihnen? Brauchen Sie irgend etwas? Vielleicht ein Wasser...?" 

 

Dann kommen die Assistenzärzte, später der leitende Arzt und irgendwann noch der Professor. Nacheinander schauen sie sich Malins Knie an, stellen Fragen, blicken auf den Monitor, wo die gestrigen Röntgenbilder aus Stans aufgeschaltet sind. 

"Schauen Sie, hier sieht man ein Teil, das im Gelenk verkeilt scheint. Das gehört nicht dorthin. Das muss operativ entfernt werden."

Er werde sie selber operieren, sagt er. Anhand einer Gelenkarthroskopie erhofft er die Knochenstruktur sowie den Zustand des Knorpels genauer zu sehen. Das abgelöste, blockierende Teil würde entfernt und nach Möglichkeit am Knochen refixiert.  Der Knochen wiederum angebohrt, um ihn zu revitalisieren.

Er erklärt Malin sein Vorhaben genau, schreibt auf, klärt ihre Fragen und schiebt ihr letztlich das Dokument zum Unterzeichnen hin.

Weiter geht's zur Anästhesie. Die Ärztin fragt nach Gewicht, Grösse, aktueller Medikation, allfälligen Allergien, erklärt welche Narkosen geplant sind und wie lange davor Malin nüchtern sein muss.

"Weil du für die Vollnarkose intubiert wirst kann es sein, dass du nach der OP ein wenig Halsschmerzen kriegst," fügt sie an.

"Ansonsten sollten hoffentlich keine grossen Komplikationen auftreten."

Malin unterschreibt auch dieses Papier.

Endspurt auf der Pflegestation. Auch die Pflegefachfrau stellt ihre Fragen, macht Notizen dazu, auch hier muss Malin mit einer Unterschrift bestätigen, dass sie über alles aufgeklärt wurde. Geschafft!

Alle Gespräche geführt, Fragen geklärt, alle Papiere unterschrieben.

Am Freitag wird operiert.

 

Eigentlich hat sie für den Samstag ihre Kollegen eingeladen, ihren 18. Geburtstag gebührend nachzufeiern. Nach dem vergangenen Prüfungsstress wohlverdient. Daraus wird nun nichts. Planänderung. Sie trägt's mit Fassung. 

"Isch sowieso schöner, wenn's wieder Frühelig und wärmer wird - de chömmer no veruisä..."