Mittlerweile fährt sie wieder auf ihrem E-Bike. Physiotherapie sei Dank. Bei jeder Umdrehung knackt und "krost" es zwar am Knie, aber das nimmt sie für das grosse Stück Freiheit in Kauf. Die Schmerzen scheinen erträglicher als nach der OP.
Täuscht's?
"Das stimmt scho.... aber ich cha sie eifach ai rächt guet versteckä..." antwortet sie daraufhin knapp und schaut mich vielsagend an.
"Und wenn iher's mier aagsehnd, de tuet's mier de wirklich ächt fescht weh....!"
Das Gespräch mit den beiden Basler Spezialisten hat sie bereits hinter sich. Beide zeigen Verständnis für ihre Entscheidung zur Operation und bestärken sie.
Der Professor schaut sie ernst an. "Tatsächlich ist es so, dass du schon so viel versucht hast in den letzten Jahren. Die Operation in Stuttgart mit der Anbohrung der Knochen, um die Regeneration und Selbstheilung zu fördern, die Hyperbare Sauerstofftherapie in der Überdruckkammer, um die kleinsten Blutgefässe zu reaktivieren und ebenso die Bisphosphonatinfusionen, um die Knochen vor weiteren Nekrosen zu schützen."
Und da sind noch die phytotherapeutischen Salben, Wickel und Tinkturen aus Beinwell und Hanf - denke ich für mich - die wir noch zusätzlich anwendeten. In der Hoffnung, irgendwie diese Schmerzen zu lindern und die Knochen zu stärken.
Wir liessen nichts unversucht. Und - ganz ehrlich - wir waren so optimistisch und glaubten wirklich daran, dass wir das irgendwie hinkriegen würden. Ohne Teilprothesen.
Ich täuschte mich. Leider. Und es war letztlich ein langer, auch gemeinsamer Prozess, dies einzusehen.
"Glaub mir," ergänzt der Oberarzt nachdrücklich, "wenn ich noch irgendeine Alternative wüsste - ich wäre der erste, der es versuchen würde!"
Er hat bereits bei der letzten Operation im Februar versucht, den Knorpel am Knochen zu refixieren. Erfolglos. Zu nekrotisch sind Malins Knochen.
Es gibt keine Alternativen mehr.
Und nun hat sich Malin entschieden. Sie, die sich sonst oft schwertut mit Entscheidungen. Aber jetzt gibt es nichts mehr daran zu rütteln. Gut so.
Sie ist jetzt achtzehn. Und sie lebt im jetzt. Was in dreissig Jahren sein wird, weiss niemand. Und in diesem Moment kümmert sie das herzlich wenig.
Zu recht.
Die beiden Ärzte werden Malin nicht operieren. Ihnen würde die Erfahrung in diesem spezifischen Bereich fehlen, sagen sie. Wir sind froh um ihre Offenheit. Sie werden Unterlagen, Bildmaterial und Berichte einem Prothesenspezialisten zusenden, er wird Malin zu einem Gespräch aufbieten und dann würden wir sehen, ob er die Operation ausführen wird.
Es ist uns bewusst, es wird kein kleiner Eingriff sein. Und trotzdem sind wir irgendwie erleichtert, dass es nun vorwärts geht. Im Wissen, alles erdenklich Mögliche vorgängig versucht zu haben.
Es ist jetzt eine Frage der Zeit, bis Malin hoffentlich schmerzfrei auf beiden Beinen unterwegs sein wird.
Dazu erhoffen wir uns, dass sie dann endlich die starken Schmerzmittel sowie Magenschoner absetzen kann. Das würde ihre angeschlagenen Organe schonen und vielleicht sogar positiven Einfluss auf ihren Blutdruck nehmen. Denn dieser ist trotz blutdrucksenkenden Mitteln noch immer zu hoch.
Ihr üppig gefülltes tägliches Medikamentendösli würde dann im besten Fall plötzlich ziemlich leer...