Bereits seit Jahren hat sie einen Schlüssel für den Lift im Schulgebäude. Das erleichtert zwar einiges, aber nur begrenzt. Denn aufgrund des Fachzimmersystems muss sie nach beinahe jeder Lektion das Zimmer wechseln. Und diese Schulzimmer sind im ganzen, sehr weitläufigen Schulkomplex auf verschiedenen Stockwerken verteilt - oft ziemlich entfernt vom Lift.
In der knappen Zeit zwischen den Lektionen auch noch den Spind zu erreichen um entsprechende Fachbücher zu tauschen, ist unmöglich. Folglich schleppt sie sämtliche Bücher immer mit sich herum. Entsprechend schwer ist ihr Rucksack.
Jeder Zimmerwechsel bedeutet Zeitdruck, Bücher schleppen, möglichst schnell von A nach B kommen. Eine Pause sähe anders aus.
In Zeiten von Corona wurde vorübergehend wieder das altbekannte Klassenzimmer eingeführt, um die Schülerkontakte möglichst einzuschränken. Malin kam dies sehr entgegen und sie hoffte auf Verlängerung. Vergeblich. Kurz nach Aufhebung der Corona- Regeln wurde wieder auf das Fachzimmersystem umgestellt.
Eigentlich hat sie noch ein ärztliches Zeugnis für die nächsten Wochen. Trotzdem besucht sie wieder die Schule. Das ist zwar zweifellos anstrengend für sie, aber noch länger fehlen im Unterricht liegt kaum drin, würde sie nur noch mehr belasten. Dafür sieht sie ihre Schulkollegen, was ihr wiederum gut tut. Und letztlich bewegt sie sich durch den strukturierten Tagesablauf zwangläufig mehr. Das sei - nebst den obligaten Physiostunden und den Übungen auf dem Kinetec-Gerät - das beste Training, erklärt ihr die Physiotherapeutin.
Wichtig ist allerdings, dass sie sich spürt und die "Notbremse" zieht und reduziert, wenn es zu viel werden sollte.
Auch die Wunde verheilt gut. "Das sieht aber schön aus!" meint die Ärztin schon fast entzückt, während sie die "Tacker" am Bein entfernt.
"Finden Sie nicht auch?" fragt sie Malin. Diese muss grinsen. Eigenartige Frage.
Grundsätzlich hätte sie keine grosse Mühe mit all ihren Narben, sagt sie mir später, aber ganz so "schön" fände sie diese Naht längs über das ganze Knie dann doch nicht.
Es braucht Zeit - und Geduld. Und diese Geduld, die ist nicht mehr im Übermass da. Kein Wunder.
Trotzdem, es geht aufwärts. Nach den ersten beiden happigen und schmerzvollen Wochen sind kleine Fortschritte spür- und sichtbar. Sie kann das Knie besser anwinkeln und bereits kurze Strecken ohne Stöcke gehen. Die Prothese ist an die Knochen zementiert, weshalb sie, wenn es schmerztechnisch für sie möglich ist, das Bein voll belasten darf.
Langes Stehen war in den letzten Jahren mit grossen Schmerzen verbunden. Jetzt aber spürt sie bereits einen Unterschied. Das rechte Bein schmerzt zwar nach wie vor, das linke, operierte Bein hingegen nicht mehr.
Es sind diese kleinen, schrittweisen Erfolgserlebnisse, die motivieren und Mut machen. Weiter zu trainieren, weiter aufzubauen und dabei die Geduld nicht zu verlieren.
Mit Kollegen aufs Buochserhorn wandern. Ein realistisches Ziel, das sie sich gesetzt hat. Wenn alles nach Plan läuft, kann sie dieses im späten Frühling 2024 vielleicht bereits umsetzen!
Und irgendwann wird sie auch wieder auf ihrem Snowboard stehen. So wie sie es einst geplant hatte.