Montag Abend. "Ich ha's überläbt", steht auf dem Display meines Handys.
Es ist ihr erster Tag, den sie "überlebt" hat.
Der erste Arbeitstag.
Nach den letzten Monaten des "sich Erholens und Aufbauens", ohne grosse Verpflichtungen und feste Tagesstrukturen ist dies jetzt ein ziemlich harter und intensiver Einstieg. Zumal sie zwar ohne Stöcke, aber leider noch nicht schmerzfrei zu Fuss unterwegs ist.
Sie hat sich, nach einem vorangegangenen Schnuppertag, für ein dreimonatiges Praktikum auf der Notfallstation im Spital in Wolhusen beworben. Die verschiedenen Arbeitszeiten (Früh-, Spät- und auch Nachtschichten) machen ein Pendeln unmöglich und so bezieht sie am Sonntag Abend ihr gemietetes Personalzimmer.
Ein karger, spartanisch eingerichteter kleiner Raum mit Toilette im zweiten Stock eines alten Hochhauses. Kein Ort der Gemütlichkeit (da kann sie ja noch etwas nachhelfen) aber sauber und zweckmässig.
Eine Gemeinschaftsküche befindet sich auf demselben Stockwerk. Auch die hat ihre besten Jahre schon lange hinter sich. Von einem Glaskeramikherd noch keine Spur, das Kücheninventar bunt zusammengewürfelt aus vergessenem Geschirr der vielen Vorgänger.
Auch zweckmässig.
Seitlich stehen mehrere nummerierte Kästchen mit Schloss, um eigene Nahrungsmittel sowie eigenes Geschirr darin zu verstauen. Dasselbe im Kühlschrank. Auch dort abgeschlossene kleine Boxen, wobei nicht wirklich viel drin Platz hat.
Ein junger Mann an Stöcken mit nur einem Bein begegnet uns im Korridor. Wir grüssen, er sagt nichts. Humpelt an seinen Stöcken weiter. Auf dieser Etage würden auch mehrere Kriegsflüchtlinge wohnen, klärt uns Malin auf. Deshalb wohl diese Schilder im Lift mit den für uns unverständlichen Schriftzeichen.
Für Malin ist es ein Neustart. Neuer (erster) Job. Weg von Zuhause, selber wohnen, kochen, essen, sich selbständig organisieren. Lange Arbeitstage. Viel Neues. Eigentlich fast alles neu.
Spitalbetriebe kennt sie allerdings schon einige. Als Patientin.
Jetzt aber kommt es zu einem Seitenwechsel.
Auf der Notfallstation wird sie zwangsläufig mit verschiedensten, wohl auch schwierigen und intensiven Situationen konfrontiert.
Wie wird das für sie sein? Wird sie sich genügend abgrenzen können?
Ich traue es ihr zu, glaube, dass sie es mit ihrer abgeklärten Art durchaus gut packen kann. Sie ist mental sehr stark und belastbar, das hat sie in den letzten Jahren mehrfach bewiesen.
Und die körperliche Belastung? Stundenlang auf den Beinen stehen und dies über mehrere Tage - ist es dafür noch zu früh?
So oder so wird es für sie eine besonders grosse, vielleicht auch grenzwertige Herausforderung. Die ersten Wochen werden ermüdend und kräftezehrend sein. Sie wird schlafen, essen, arbeiten und wieder schlafen - wird zu müde sein für irgendwas sonst. Es wird ihr so ergehen, wie es wohl den meisten Praktikanten in den ersten Wochen ergeht. Auch jenen, die gut auf beiden Beinen stehen und gehen können.
Ich hoffe für sie, dass ihre Beine sie möglichst schmerzfrei tragen werden, damit sie ihr erstes, eigenes Projekt durchziehen und viele neue Erfahrungen sammeln kann.