Am Freitag, 28. April, sollte bereits der Port a cath, "Port" implantiert werden. An einer Puppe wird Malin gezeigt, welche Funktion dieser Port hat: Es ist ein Kadethersystem, welches für längere Zeit implantiert wird und so einen permanenten Zugang zu den Venen ermöglicht. Optisch sieht es aus wie ein kleines Kästli mit einem feinen Schlauch dran. Alle Infusionen, Chemotherapien, Ernährungslösungen, Schmerzmittel... werden dann über den Port zugeführt, auch die Blutentnahmen können über den Port gemacht werden. Das implantierte Kästchen wird dafür bei Malin jeweils angestochen, bei der Puppe ist es mittels eines Druckknopfes festgemacht.

Für die OP muss Malin nüchtern sein, das Frühstück fällt also weg. Da ihre Thrombozytenwerte (Blutplättchen) zu tief sind, erhält sie eine Transfusion.

Dann wird sie nach unten gebracht. Ich darf sie noch bis zur Tür begleiten und gehe dann wieder hoch, versuche mich mit dem Frühstück irgendwie abzulenken. Auf einmal steht der Onkologe vor mir und sagt, ich müsste schnell in den OP kommen, es hätte einen Zwischenfall gegeben... 

Spüre, wie es mir den Magen fast dreht. Stehe ruckartig auf und laufe mit ihm mit. Dann sehe ich Malin und erschrecke: Überall aufgeschwollen, sie kann die Augen nicht öffnen, der ganze Körper übersäht mit roten Flecken. Eine Sauerstoffmaske im Gesicht, die sie beim Atmen unterstützt. Das Antiallergenmittel wird soeben ins Bein gespritzt (das schmerzt sie dann noch lange Zeit). 

Wie ein Häufchen Elend liegt sie da, regt sich nicht. 

Es tut weh, sie so zu sehen...

Malin hat mit einem starken allergischen Schock auf die Thrombozytentransfusion reagiert. Die OP muss abgesagt werden.

 

Zurück im Zimmer bekommt sie eine nächste Bluttransfusion (diesmal Erythrozyten) weil sie so tiefe Werte hat. Diese löst zum Glück keine allergische Reaktion aus.

Die Thrombozyten sind immer noch sehr tief (16). Bei Werten unter 50 wird nicht operiert, die Gefahr, dass die Blutung nicht mehr stoppt, ist zu gross. Bildlich kann man sich das so vorstellen: Damit eine Wunde am Körper wieder heilen und sich schliessen kann, braucht es eben die Blutplättchen, vergleichbar mit den Bausteinen für eine Mauer. Ohne diese Bausteine kann keine "Mauer" entstehen, die hält.

 

Am Dienstag, 2. Mai folgt der zweite Versuch. Die Werte sind immer noch zu tief (2), wieder bekommt sie zwei Beutel Thrombos transfundiert, diesmal wird vorsorglich das Antiallergenmittel gespritzt. Es kommt zu keiner allergischen Reaktion, ich bin erleichtert! Wieder begleite ich sie bis zur Tür des OP-Raums. Die Narkose ist bereits eingeleitet, Malin wird grossflächig desinfiziert, die vorgesehenen Schnitte sind eingezeichnet. Dann wieder Abbruch der OP -  dieses mal sind die Gerinnungswerte viel zu tief. Durch die Transfusion sind zwar genügend "Bausteine" vorhanden, dafür fehlt der "Mörtel" der die Bausteine zusammen halten soll... so kann nicht operiert werden - das Risiko ist zu gross.


Damit die Vene bei der Hand durch die Chemotherapie und die Infusionen nicht zu sehr belastet wird, setzen die Ärzte Malin als Übergangslösung einen PICC, ein venöser Zentralzugang an der Innenseite des Oberarms. Zudem erhält sie mehrere Medikamente, um ihren Blutgerinnungswert wieder zu erhöhen.

 

Dienstag, 9. Mai, dritter Versuch der Implantation! Um 4.30 frühstücken wir, da sie nachher bis zur Operation nüchtern bleiben muss. Um 11.00 wird sie nach unten gebracht. Padi und ich begleiten sie bis zur Tür...

Jetzt ist 14.45. Gerade eben erfahren wir von der zuständigen Pflegefachfrau, dass alles gut gelaufen ist. Erleichterung! Sie wird bald ins Zimmer gebracht. Dann wird noch geröntgt und so kontrolliert, ob der Port auch richtig platziert ist. Nach dem Röntgen wird sofort die nächste Chemo angeschlossen, diesmal am Port.

Erneut geben sie ihr zusätzlich Medikamente, um ihren Gerinnungsfaktor zu erhöhen. Weshalb dieser Wert bei Malin plötzlich so tief ist, können sich die Ärzte auch nicht erklären.

 

Malins Therapiestart verlief also nicht nach Plan. Bereits in den ersten beiden Wochen kam es zu diesen unvorhersehbaren Komplikationen. Die Ärzte nehmen sich Zeit, beantworten alle offenen Fragen - und das sind nicht wenige. Der Psychologe redet oft mit Malin, wie es ihr geht nach diesem turbulenten Start. Malin bleibt wie immer stoisch ruhig. Keine Regung. Die ganzen zwei Wochen hat sie keine einzige Träne geweint - nichts! Sie schluckt (mit Widerwillen und grosser Mühe) ihre vielen Tabletten, lässt sich überwachen, stechen, an Infusionen und Chemos anschliessen...sie lässt einfach alles über sich ergehen...

Die ersten paar Tage fragt sie noch ein paar mal nach der Schule, hat das Gefühl, jemand könnte ihr die Hausaufgaben bringen, damit sie nicht all zu viel Schulstoff verpasst. Irgendwann fragt sie nicht mehr - sie realisiert, dass ihre Kraft dazu sowieso nicht reicht. Ab diesem Moment fragt sie nie mehr danach...