Ungefähr 3-4 Wochen nach Start der Chemotherapie werden Malins schöne lange Haare ausfallen. Irgendwie ist das noch so weit weg - und doch unausweichlich! Ohne Haare werden alle auf den ersten Blick sehen, dass Malin krank ist, so als wäre sie angeschrieben: ICH HABE KREBS! 

Wie wird das sein? Wie kann sie damit umgehen, wenn sie in der Öffentlichkeit angestarrt wird? Oder wenn die Leute schnell wieder weg schauen, weil sie nicht wissen, wie sie reagieren sollen? Wie wird der Moment sein, wenn sie merkt, dass die Haare büschelweise ausfallen? Bis jetzt reagiert sie gar nicht, als ob es kein Thema für sie wäre. 

 

Vom Spitalpersonal werden wir darauf angesprochen, ob eine Perücke infrage käme. Man müsste allerdings bereits jetzt, rund zwei Wochen nach der Diagnose, eine Fachfrau herbeiziehen. Damit könnte sie Malin noch mit ihrem eigenen Haar sehen und sich so besser vorstellen, wie Malin aussehen sollte/möchte. Es würde alles organisiert, die Fachfrau käme ins Kispi.

Wir entscheiden uns gemeinsam für einen Haarersatz. Vielleicht trägt sie ihn, vielleicht auch nicht, vielleicht hat sie lieber Mützen und Kopftücher, vielleicht gar nichts? Wir wissen es nicht. Aber sie soll wenigstens alle Möglichkeiten offen haben. Sie soll auch die Chance haben, mit einer Perücke unterwegs zu sein, ohne dass man ihr die Krankheit gleich ansieht.

Malin werden verschiede Modelle von Perücken mit verschiedenen Haarfarben und Haarschnitten gezeigt, damit sie sich ein Bild davon machen kann. Das ist gar nicht so einfach - es gibt so viele Varianten. Wir entscheiden uns für eine Haarfarbe, die Malins Farbe möglichst nahe kommt.

Ein paar Tage später bringt die Coiffeuse bereits vier verschiedene Modelle zur Anprobe. Eine Perücke nach der anderen wird mit Hilfe der Fachfrau aufgesetzt, wir machen Fotos, damit wir später noch wissen, wie welche ausgesehen hat. Kurze Haare - lange Haare - mit Stufen - mit Maiche. Sie kann aufsetzen was sie will, jede Perücke sieht an Malin wohl anders aber doch gut aus. Nur: Gut stehen und sich damit wohl fühlen können ist dann doch zweierlei... Sie entscheidet sich für ein langhaariges Modell mit der Option, irgendwann die Haare schneiden zu können, wenn sie das denn möchte.

 

Seit ihrem Termin bei der Hausärztin ist Malin nicht mehr zu Hause gewesen. Heute - nach drei psychisch wie physisch harten und intensiven Wochen darf sie ein erstes Mal nach Hause - und hat bereits ihre Perücke im Gepäck.

Ihre Mädels haben sich zu Besuch angemeldet, wir haben eine extra grosse Portion Kuchen gebacken. Alle sitzen im Garten. Die Stimmung ist anfänglich gedrückt, die Unsicherheit richtig spürbar... Es ist ein spezieller Moment des Wiedersehens, aber dank Malins lockeren und unkomplizierten Art sind die Hemmungen bei allen bald weg. Sie merken, dass Malin trotz allem noch dieselbe ist. Der implantierte Port wird begutachtet, Malin erzählt von ihren Wochen im Kispi, die Mädels von der Schule. Fragen werden gestellt und irgendwann verschwinden alle in Malins Zimmer - zur Anprobe der Perücke. Sowas sieht man ja schliesslich nicht jeden Tag! Von weitem höre ich ihr Lachen. Die erste Hürde ist genommen.

 

Ein halbes Jahr später: Erst einmal hat Malin ihre Perücke zu Hause aufgesetzt und sie kam sich damit so fremd vor, dass sie sie seither nicht mehr getragen hat...