Warum...?

Warum ein Kind?

Warum UNSER Kind?

Warum unsere Malin?

Das haben wir uns so oft gefragt. Jeden Tag. Immer wieder. Eine Antwort steht aus.

 

Die Frage nach dem "Warum" stellten wir uns nicht das erste mal.

Als Malin gerade mal 12 Tage alt war, wurde Padis Bruder von einem Straftäter im Hafturlaub einfach so - völlig aus dem Nichts - ermordet. Zur falschen Zeit am falschen Ort. Es hätte jeden treffen können - es hatte ihn getroffen. Dies an einem Samstag Morgen, unweit von unserem damaligen Zuhause. Wir wussten nicht was geschehen war, schauten betroffen vom Stubenfenster aus zu, wie jemand über die Hauptstrasse gerollt und mit der REGA weggebracht wurde... Erst Stunden später erfuhren wir, dass es Padis jüngerer Bruder gewesen war. Er starb am nächsten Tag an seinen schweren Verletzungen. Der grosse Schmerz und die Trauer drückten unsäglich, die Frage nach dem "Warum" lag bleiern in der Luft. Lange Zeit. Nicht einmal sein Mörder wusste eine Antwort darauf...

 

Jahre später dann Padis Autounfall. Zwei, drei Sekunden nur hätten gereicht und der Unfall wäre nicht passiert. Ein paar Sekunden früher - oder später. Egal. Den ganzen Tag schon mit dem Auto unterwegs und so kurz vor dem Ziel hat es gekracht. Unverschuldete Frontalkollision mit 80 km/h. Schleudertrauma.

Warum...?

Keine Antwort.

 

Ein schöner Tag im Mai. Trotz warmen Temperaturen ziehen wir alle für die bevorstehende Wanderung präventiv lange Hosen an, sprühen uns grosszügig mit Mücken-und Zeckenspray ein. Reicht nicht. Es ist meine zweite Zecke überhaupt - in meinem ganzen Leben. Und diese hatte es in sich. Hirn-und Hirnhautentzündung sowie Borreliose. Notaufnahme im Spital. Totalausfall.

Warum...?

Keine Antwort.

 

Ende Januar kann ich mit der letzten Antibiotikabehandlung gegen die Borreliose abschliessen. Bin wieder gut auf den Beinen, fühle mich wieder gesund. Wir sind wieder auf dem Weg.

Bereits im April folgt der nächste Schlag. Malins Diagnose: Akute lymphatische Leukämie im Hochrisiko.

Warum...?

Keine Antwort.

 

Enya ist neun. Sie schaut mich an, in ihrem Gesicht erkenne ich Angst und sie fragt: "Bin ich jetzt dann die nächste? Oder vielleicht Joel?"

"Warum meinst du?"

"Zuerst hatte Papi diesen Unfall, dann warst du so krank und jetzt Malin...! Vielleicht bin ICH jetzt dran...?"

Ich verstehe sie, versuche sie zu beruhigen, ihr die Angst zu nehmen. Aber wie? Ich weiss ja selber kaum mehr, was ich dazu sagen sollte. Denn Antworten gab es nie.

Erklärungsnotstand.

Immerhin, ich kann beschwichtigen, irgendwie. Schliesslich geht es sowohl Padi als auch mir wieder gut. Glück gehabt, trotz allem! Und Malin wird es auch schaffen - sie hat es uns versprochen! Und daran glauben wir, daran halten wir uns fest! Sie ist eine Kämpferin! Wir schaffen das zusammen - auch das!

 

Und wer weiss? Vielleicht irgendwann - viel später - werden wir wissen "warum". Vielleicht aber auch nicht.